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Zeitschrift für Politik 47 (2000) 239-273

Gliederung
1. Einleitung
2. Der Grundsatz der gleichen Wahl
3. Gleiche Erfolgswerte der Wählerstimmen
4. Gleiche Vertretungsgewichte der Mandate
5. Gleiche Befriedigung der Idealansprüche der Parteien
6. Die unerlässliche Einhaltung des Idealrahmens
7. Parteienzuwachs-Paradoxie, Stimmenzuwachs-Paradoxie, Mandatszuwachs-Paradoxie
8. Verzerrte und unverzerrte Mandatszahlen
9. Wahl in abgeschlossenen Wahlkreisen
10. Resümee
Zusammenfassung
Summary


Friedrich Pukelsheim *

Mandatszuteilungen bei Verhältniswahlen:
Idealansprüche der Parteien

1. Einleitung

Bei einer Wahl treten drei Hauptgruppen von Akteuren auf: die Wähler, die Kandidaten und die Parteien. Für jede dieser Gruppen stellt sich der in der Verfassung niedergelegte Grundsatz der gleichen Wahl anders dar. Unter diesen konkurrierenden Sichtweisen räumt der Bayerische Verfassungsgerichtshof dem Anspruch der Wähler – als dem demokratischen Souverän – den Vorrang ein und entfaltet deshalb den Grundsatz der gleichen Wahl zuvorderst zur Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen.

Jedoch bleibt für den Bayerischen Verfassungsgerichtshof diese Präzisierung ohne einschneidende Konsequenzen, wenn er das am Ende einer Verhältniswahl stehende Stimmenverrechnungsverfahren zu beurteilen hat. Die These unseres Aufsatzes ist die: Die inhaltliche Fokussierung auf die Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen ermöglicht es in weit stärkerem Maß als bisher wahrgenommen, die existierenden Mandatszuteilungsmethoden danach zu bewerten, inwieweit sie dem Ideal gleicher Erfolgswerte der Wählerstimmen nahe kommen. Wir werden herausarbeiten, wo die qualitativen und quantitativen Argumente des Bayerischen Verfassungsgerichtshof auseinanderlaufen und wie der Einklang von Wort und Zahl wiederhergestellt werden kann.

Ein Verrechnungsverfahren, das am Ende der Wahl die Stimmen in Mandate umwandelt, nennen wir eine »Zuteilungsmethode«. Drei dieser Methoden haben in der jüngsten deutschen Geschichte Anwendung gefunden. Erst wurde die Divisormethode mit Abrundung (Hondt) verwendet, und zwar bis 1983 für die Wahlen zum Deutschen Bundestag und bis 1990 für die Wahlen zum Bayerischen Landtag. Seitdem wird die Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) eingesetzt. Für seine interne Arbeit – Besetzung der Ausschüsse und Verteilung der Ausschussvorsitze – benutzt der Deutsche Bundestag die Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) [Anm. 1].

Neben diesen drei in Deutschland praktizierten Methoden gibt es noch eine große Vielzahl anderer Zuteilungsmethoden. Die unterschiedlichen Rechenwege, die diesen Methoden zugrunde liegen, sind nicht Thema dieses Aufsatzes. Das Maß der Dinge wird von den Wahlgrundsätzen der Verfassung vorgegeben, nicht von den Eigenarten der Rechenvorschriften. Unser Ziel ist es, den Grundsatz der gleichen Wahl in seiner Manifestation als Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen zahlenmäßig so zu erfassen, dass die Vereinbarkeit der Zuteilungsmethoden mit diesem Grundsatz beurteilt werden kann.

Wir nähern uns diesem Ziel in mehreren Schritten. Zunächst untersuchen wir die Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs darauf hin, welche Zahlen und Bezugsgrößen er in seinen Wahlrechtsentscheidungen benutzt; daraus ergibt sich der zahlenmäßige Kennwert, der den Erfolgswert einer Wählerstimme ausmacht (Abschnitt 2). Die am besten damit harmonierende Zuteilungsmethode ist die nach André Sainte–Laguë und Hans Schepers benannte Divisormethode mit Standardrundung (Abschnitt 3). Die Verfassungsgerichte zitieren aber bevorzugt andere Kennzahlen, nämlich die Vertretungsgewichte der Mandate; mit diesen gehen andere Zuteilungsmethoden einher (Abschnitt 4). Der Bayerische Verfassungsgerichtshof schenkt die größte Aufmerksamkeit der Frage, ob die Idealansprüche der Parteien soweit wie möglich befriedigt werden; dieser Grundsatz führt zur derzeit gültigen Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) (Abschnitt 5).

Der Idealanspruch einer Partei sind so viele Mandatsbruchteile, dass eine restlose Gleichheit zwischen Mandatsanteil und Stimmenanteil hergestellt wird. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof sieht es in seiner Rechtsprechung als unerlässlich an, dass eine Methode nur solche Mandatszahlen zuteilt, die aus dem Idealanspruch durch Ab– oder Aufrundung hervorgehen (Abschnitt 6). Damit verengt das Gericht – wohl ungewollt – den Handlungsspielraum des Gesetzgebers auf solche Methoden, die unter irritierenden Paradoxien leiden (Abschnitt 7). Das Gericht postuliert die unerlässliche Einhaltung des Idealrahmens aber offenbar nur in der Absicht, die bei der Divisormethode mit Abrundung (Hondt) auftretenden systematischen Verzerrungen zu Gunsten der großen Parteien und zu Lasten der kleinen Parteien einzugrenzen. Diese notorische Verzerrung der Divisormethode mit Abrundung (Hondt) hängt praktisch nicht von der Gesamtzahl der zuzuteilenden Mandate ab (Abschnitt 8). Dabei spielt keine Rolle, dass die Wahl zum Bayerischen Landtag in abgeschlossenen Wahlkreisen stattfindet (Abschnitt 9).

Unsere Ausführungen münden in drei Empfehlungen (Abschnitt 10). Erstens sollte der Grundsatz der Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen seinen Vorrang zurückgewinnen und nicht durch daraus abgeleitete und deshalb nachrangige Ausdeutungen verwässert werden. Zweitens sollte die These aufgegeben werden, die Einhaltung des durch die Idealansprüche der Parteien gesetzten Rahmens sei unerlässlich, um dem Gesetzgeber die Festlegung paradoxienfreier Zuteilungsmethoden zu ermöglichen. Drittens sollte der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Divisormethode mit Abrundung (Hondt) nicht durch Verweisketten auf frühere Selbstzitate rechtfertigen, sondern an dem Maßstab messen, den er so prominent herausgearbeitet hat: der Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen.

2. Der Grundsatz der gleichen Wahl

Der für die Zuteilungsproblematik zentrale Wahlgrundsatz ist der Grundsatz der gleichen Wahl. In einem seiner frühen Wahlrechtsurteile hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof 1952 diesen Grundsatz mit dem folgenden Satz umschrieben: » ... ; alle Wähler sollen mit der Stimme, die sie abgeben, den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben.« [Anm. 2].

Bezugsgesamtheit sind die Wähler, und nicht die Kandidaten oder die Parteien. Nehmen wir an, dass vi Wählerstimmen auf Partei i entfallen und diese dafür mi Mandate zugeteilt bekommt. Da alle Stimmen gleichen Zählwert haben, verteilt sich der Erfolg von mi Mandaten in gleicher Weise auf die vi Stimmen. Eine einzelne Wählerstimme hat folglich mit dem Bruchteil mi / vi am Erfolg teil.

Betrachten wir zum Beispiel die Wahl zum 14. Bayerischen Landtag am 13. September 1998. Die größte Partei erhielt m1 = 123 Mandate bei v1 = 6 447 764 Gesamtstimmen, der Quotient m1 / v1 ist 0.000 019. Die Quotienten für die mittlere und kleinste Partei errechnen sich zu 0.000 019 und 0.000 020. Diese Zahlen wirken allein schon deshalb nichtssagend, weil sie in einer wenig aussagekräftigenGrößenordnung daherkommen. Wichtiger ist, dass sie auch inhaltlich nicht den vollen Informationsgehalt des Wahlergebnisses umsetzen. Denn wir haben es hier mit einer Verteilungsrechnung zu tun und jeder Teil muss im Bezug auf das Ganze gesehen werden. Ob 123 Mandate einen großen oder einen kleinen Erfolg bedeuten, klärt sich erst im Bezug auf die Zahl aller Mandate (204); ebenso ist das Gewicht von rund sechs Millionen Stimmen nur zu ermessen im Hinblick auf die Zahl aller Stimmen (10 642 120).

Wir gründen das zahlenmäßige Kriterium deshalb nicht auf Anzahlen, sondern auf Anteile. Dazu seien V die Zahl aller Stimmen (Voten) und M die Zahl aller Mandate. Wir definieren den »Erfolgswert einer für die Partei i abgegebenen Wählerstimme« durch den aus Mandatsanteil mi / M und Stimmenanteil vi / V gebildeten Quotienten

(mi / M) / (vi / V)

Im Beispiel der Landtagswahl 1998 ergeben sich die Erfolgswerte einer für die größte, für die mittlere bzw. für die kleinste Partei abgegebenen Stimme zu 0.995, 0.998 bzw. 1.055. Die beiden großen Parteien bleiben hinter einem ganzen, hundertprozentigen Erfolg knapp zurück (um 99.5 – 100 = –0.5 Prozent bzw. um 99.8 – 100 = –0.2 Prozent); ihre Mandatsanteile sind um ein Weniges kleiner als ihre Stimmenanteile. Dagegen erreicht die kleinste Partei mehr als einen ganzen Erfolg (um 105.5 – 100 = +5.5 Prozent), weil ihr Mandatsanteil größer ist als ihr Stimmenanteil.

Wesentlich für jegliche Verteilungsrechnung ist die Festlegung des Ganzen, auf das die Teile bezogen werden. In dieser Hinsicht bedarf der eingangs hervorgehobene Satz des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, der die Definition trägt, der Erläuterung. Die Formulierung »alle Wähler« umfasst naturgemäß nicht die Falschwähler, die ihre Stimme ungültig abgeben. Ebenfalls ausgeschlossen sind die »Umsonstwähler«, die Listen wählen, auf die im Land weniger als fünf Prozent der gültigen Stimmen entfallen; diese Stimmen werden so angesehen, »als ob sie nicht abgegeben worden seien.« [Anm. 3]. Es verbleiben somit als »alle Wähler« diejenigen, deren Stimmen »zuteilungsberechtigt« sind in dem Sinn, dass die Stimmen gültig sind und von der Mandatszuteilung nicht durch rechtliche Bestimmungen ausgeschlossen sind.

Zudem spricht der oben zitierte Satz in der Einzahl von »der Stimme«, die jeder Wähler abgibt. Bei der Wahl zum Bayerischen Landtag haben alle Wähler aber zwei Stimmen. Die gültigen Erst– und Zweitstimmen werden zu den Gesamtstimmen aufsummiert, die der Mandatszuteilung zugrunde gelegt werden. Außerdem findet die Wahl getrennt in sieben Wahlkreisen statt. Es ist deshalb abzuwägen, ob der Erfolgswert einer für eine Partei abgegebenen Gesamtstimme – bezogen auf die einzelnen Wahlkreise – eine siebenfache Ausprägung annimmt oder ob sich – bezogen auf das Landesergebnis – nur eine Kennzahl ergibt. Diese Frage hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof klar beantwortet: »Bezugsgröße für die Proportionalität der Zahl der Abgeordnetenmandate im Verhältnis zur Zahl der gültigen Stimmen ist das landesweite Wahlergebnis.« [Anm. 4]

Schaubild 1 (S. 244) zeigt für die bayerischen Landtagswahlen die zahlenmäßige Abnahme von den Stimmberechtigten zu den Wählern und von den gültigen Gesamtstimmen zu den zuteilungsberechtigten Gesamtstimmen. [Anm. 5] Schaubild 2 (S. 245) verdeutlicht die entsprechenden Zahlen für die Wahlen zum Deutschen Bundestag. Nichtwähler, Falschwähler und Umsonstwähler sind zwar von beträchtlichem Gewicht, wenn das Wahlsystem als Ganzes zu beurteilen ist. Trotz aller demokratischen Gleichheit bleiben aber diese Stimmen – die nicht abgegebenen Stimmen, die abgegebenen, aber ungültigen Stimmen und die gültigen, aber nicht zuteilungsberechtigten Stimmen – ohne Einfluss auf das Problem der Mandatszuteilung.

Maßgebend für die folgenden Ausführungen sind also nur die Gesamtstimmen vi derjenigen l Parteien, die die Fünfprozenthürde überwunden haben. Aus der Addition dieser Stimmen ergibt sich die oben eingeführte Zahl aller Stimmen, V = v1 + v2 + ... + vl. »Davon ausgehend, dass diese Zahl hundert Prozent aller Stimmen für die im Landtag vertretenen Parteien ausmacht,« [Anm. 6] erzielen die Parteien die Stimmenanteile v1 / V, v2 / V, ..., vl / V. Auf dieser Grundlage sind die insgesamt M Mandate so zuzuteilen, dass den Wahlgrundsätzen Genüge getan wird.

Dem Grundsatz der gleichen Wahl folgend ist ein Zuteilungsergebnis m1, m2, ..., ml danach zu beurteilen, ob die Wählerstimmen »einen möglichst gleichen Erfolgswert« [Anm. 7]

(m1 / M) / (v1 / V),         (m2 / M) / (v2 / V),         ...,         (ml / M) / (vl / V)

besitzen. Im Idealfall hätten alle Erfolgswerte den Wert 1; jede Stimme würde genau einen ganzen Erfolg erzielen und für jede Partei wäre der Mandatsanteil gleich dem Stimmenanteil. Wegen der Ganzzahligkeit des Zuteilungsergebnisses sind aber Abweichungen vom idealen Erfolgswert 1 praktisch unvermeidbar. Je nachdem, mit welchem Maß man diese Abweichungen bewertet, wird man zu unterschiedlichen Zuteilungsmethoden geführt.

Schaubild 1

Schaubild 2

Will man den Grundsatz der gleichen Wahl im Einklang mit den Vorgaben der Verfassung und der verfassungsgerichtlichen Entscheidungen in die Wirklichkeit umsetzen, dann bestehen die Schwierigkeiten weder darin, die Erfolgswerte der für die jeweiligen Parteien abgegebenen Wählerstimmen zahlenmäßig zu erfassen; dies ist oben geschehen. Noch bereitet es Schwierigkeiten, den Idealfall der Gleichheit zu beschreiben; der ideale, für alle gleiche Erfolgswert ist der Wert 1. Aber das Ideal der Gleichheit bleibt eine abstrakte Idee und übersetzt sich in die konkrete Forderung, die praktisch unvermeidbaren Ungleichheiten, das heißt die Abweichungen vom Gleichheitsideal, so klein wie möglich zu halten. An dieser Stelle tritt nun die zentrale Schwierigkeit zu Tage. Abweichungen von der idealen Gleichheit können auf viele verschiedene Arten gemessen werden. [Anm. 8] Der Herausforderung, die verfügbaren Abweichungsmaße hinsichtlich ihrer Verträglichkeit mit der Verfassung zu beurteilen, haben sich die Verfassungsgerichte bisher nicht ausdrücklich gestellt. Aber da das Problem existiert, müssen die Gerichte zumindest implizit auf eine Lösung hinarbeiten. Auf diesen impliziten Argumenten, so wie wir sie verstehen, bauen die folgenden Herleitungen auf.

3. Gleiche Erfolgswerte der Wählerstimmen

Um ihre Entscheidungen zu stützen, rechnen die Gerichte gelegentlich Beispiele vor. [Anm. 9] Diese sind zwar oft weit entfernt von dem, was der Bayerische Verfassungsgerichtshof wohl meint, wenn er von »Wirklichkeitsbeispielen« spricht. [Anm. 10] Trotz der wirklichkeitsfremden Zahlenwerte wird die folgende Argumentationslinie sichtbar. Ein Zuteilungsergebnis, das durch die Mandatszahlen m1, m2, ..., ml gegeben ist, wird dadurch auf seinen Ungleichheitsgehalt untersucht, dass ein Mandat von einer Partei zu einer anderen Partei transferiert wird und man dann prüft, ob die so entstandene neue Zuteilung weniger ungleich ausfällt als die alte. [Anm. 11]

Das Prinzip des paarweisen Vergleiches sei an Hand der jüngsten Bayerischen Landtagswahl vorgeführt. Drei Parteien übersprangen die Fünfprozenthürde. Der größten Partei wurden 123 von 204 Mandaten zugeteilt, sie erhielt ungefähr sechs von zehn Millionen zuteilungsberechtigten Gesamtstimmen; eine für sie abgegebene Gesamtstimme erzielte den Erfolgswert 0.995. Insgesamt wurden die folgenden Erfolgswerte realisiert:

Wahl zum 14. Bayerischen Landtag am 13. September 1998   realisiert
Erfolgswert einer für die CSU abgegebenen Gesamtstimme   (123 / 204) / (6 447 764 / 10 642 120) = 0.995
Erfolgswert einer für die SPD abgegebenen Gesamtstimme   (67 / 204) / (3 501 900 / 10 642 120) = 0.998
Erfolgswert einer für die GRÜNEN abgegebenen Gesamtstimme   (14 / 204) / (692 456 / 10 642 120) = 1.055

Die Frage stellt sich, ob der Partei mit dem besten Erfolgswert 1.055 zu viele Mandate zugeteilt wurden und der Partei mit dem schlechtesten Erfolgswert 0.995 zu wenige. Der Unterschied zwischen diesen Erfolgswerten beträgt 1.055 – 0.995 = 0.060, das heißt 6.0 Prozent. Der Transfer eines Mandats von der kleinsten zur größten Partei verändert die Erfolgswerte wie folgt:

Wahl zum 14. Bayerischen Landtag am 13. September 1998   optimal
Erfolgswert einer für die CSU abgegebenen Gesamtstimme   (124 / 204) / (6 447 764 / 10 642 120) = 1.003
Erfolgswert einer für die SPD abgegebenen Gesamtstimme   (67 / 204) / (3 501 900 / 10 642 120) = 0.998
Erfolgswert einer für die GRÜNEN abgegebenen Gesamtstimme   (13 / 204) / (692 456 / 10 642 120) = 0.979

Der Unterschied zwischen den Erfolgswerten einer für die größte und einer für die kleinste Partei abgegebenen Gesamtstimme berechnet sich nun zu 1.003 – 0.979 = 0.024, das heißt 2.4 Prozent. Der realisierte Erfolgswertunterschied ist mit 6.0 Prozent zweieinhalbmal so groß wie der optimale Erfolgswertunterschied von 2.4 Prozent. Es ist ein bewiesenes Theorem, dass kein weiterer Transfer eines Mandats die betreffenden Erfolgswertunterschiede weiter verkleinert; deshalb ist die rechte Spalte in der zweiten Tabelle mit »optimal« überschrieben.

Das Theorem besagt, dass die Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) solche Zuteilungsergebnisse liefert, bei denen ein Mandatstransfer zwischen je zwei Parteien den Unterschied der Erfolgswerte der für diese Parteien abgegebenen Wählerstimmen nicht kleiner macht. In diesem Sinn bezeichnen wir die Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) als die erfolgswertoptimale Zuteilungsmethode. [Anm. 12]

Der Name »Divisormethode mit Standardrundung« deutet einen möglichen Rechenweg an. Die Stimmenzahlen der Parteien werden durch einen gemeinsamen Divisor d geteilt und die sich ergebenden Quotienten werden standardmäßig gerundet, um die Mandatszahlen zu erhalten; der Divisor d wird so berechnet, dass alle M Mandate vergeben werden. [Anm. 13]

Die Schaubilder 3 und 4 (S. 250/251) stellen die realisierten Erfolgswerte (+) der vierzehn Bayerischen Landtagswahlen 1946–1998 den optimalen Erfolgswerten ( · ) grafisch gegenüber. Die realisierten Erfolgswerte beruhen auf den nach den gesetzlichen Bestimmungen vollzogenen Mandatszuteilungen, die in den sieben Wahlkreisen getrennt berechnet werden. Die optimalen Erfolgswerte gehen aus der erfolgswertoptimalen Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) hervor, angewendet auf die landesweiten Stimmenzahlen.

Für die ersten zwölf Landtagswahlen wurden die Mandate gemäß der Divisormethode mit Abrundung (Hondt) zugeteilt. Bei jeder Wahl realisieren die Erfolgswerte einer für die größte Partei abgegebenen Gesamtstimme mehr als den idealen Erfolgswert 1; der maximale Überschuss beträgt +7.2 Prozent in der 4. Landtagswahl 1958. Die Erfolgswerte einer für die kleinste Partei abgegebenen Gesamtstimme realisieren jedes Mal weniger als den idealen Erfolgswert 1; das maximale Defizit beträgt –38.6 Prozent in der 12. Landtagswahl 1990. Die Anzahlen der Mandatstransfers, um vom realisierten zum erfolgswertoptimalen Zuteilungsergebnis zu gelangen, waren der Reihe nach 4, 5, 5, 7, 6, 3, 3, 3, 4, 1, 3, 6. Die Richtung dieser Transfers ist immer dieselbe: Die größte Partei oder mehrere größere Parteien verlieren Mandate an die kleinste Partei oder mehrere kleinere Parteien.

Den Landtagswahlen von 1994 und 1998 lag die Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) zu Grunde. Schaubild 4 zeigt, wie die realisierten Erfolgswerte enger an die optimalen heranrücken. In beiden Fällen ist die realisierte Zuteilung nur um einen einzigen Mandatstransfer von der optimalen Zuteilung entfernt. Dieser Mandatstransfer nimmt die gegenläufige Richtung an wie vorher; die größte Partei gewinnt ein Mandat, einmal (1994) von der mittleren und ein andermal (1998) von der kleinsten Partei.

Schaubild 3

Schaubild 4

Die Erfolgswertoptimalität der Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) haben wir dadurch gerechtfertigt, dass ihre Bewertung auf die Erfolgswerte der Wählerstimmen aufbaut und dass der Unterschied je zweier Erfolgswerte durch einen Mandatstransfer nicht mehr verkleinert werden kann. Die Frage, ob ein realisiertes Zuteilungsergebnis verfassungsgemäß ist, ruft somit nach einer Beurteilung, ob es dem erfolgswertoptimalen Zuteilungsergebnis hinreichend nahe kommt.

Einzig und allein die vollständige Übereinstimmung mit der erfolgswertoptimalen Mandatszuteilung zu fordern, ist sowohl theoretisch als auch praktisch unangemessen. Denn einerseits kann auch die optimale Zuteilung nicht den idealen Erfolgswert 1 garantieren, sondern bietet nur eine – wenn auch eine in obigem Sinn bestmögliche – Näherung. Andererseits ist ein einzelner Grundsatz wie der der Wahlgleichheit zu schwach, um ein Wahlsystem in seiner ganzen Komplexität danach ausrichten zu können. Andere Komponenten, wie die Wahl in abgeschlossenen Wahlkreisen zur Stärkung der örtlichen Bindung zwischen Wählern und Gewählten, haben ebenfalls Verfassungsrang. [Anm. 14]

Die Beurteilung konkurrierender Wahlgrundsätze steht dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof zu. Wir werden in den folgenden Abschnitten zeigen, dass der Gerichtshof dazu neigt, die Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen hintanzustellen. Statt dessen zieht er andere Kennzahlen vor, nämlich die Vertretungsgewichte der Mandate, die ein Gleichheitsmaß für die Mandatsträger hergeben, oder die Idealansprüche der Parteien, deren Befriedigung ein Maß der Wahlgleichheit für die Parteien darstellt.

4. Gleiche Vertretungsgewichte der Mandate

Die beliebteste Kennzahl für die deutsche Verfassungsgerichtsbarkeit ist der Quotient aus Stimmenzahl vi und Mandatszahl mi:

vi / mi

Wir nennen diesen Quotienten das »Vertretungsgewicht eines auf die Partei i entfallenden Mandats«. Bezugsgesamtheit sind nicht die Wähler, sondern die Mandatsträger. Diese Kennzahl ist die richtige, will man den Grundsatz der Wahlgleichheit aus Sicht der (erfolgreichen) Wahlbewerber prüfen.

Im Beispiel der Bayerischen Landtagswahl von 1998 erhält man für die Vertretungsgewichte der 204 Mandate, je nachdem auf welche der drei Parteien sie entfallen, die Zahlen

6 447 764 / 123 = 52 420.8       3 501 900 / 67 = 52 267.2       692 456 / 14 = 49 461.1

Die 123 Abgeordneten der größten Partei vertreten somit durchschnittlich 52 420.8 Stimmenbruchteile. Die 14 Abgeordneten der kleinsten Partei vertreten 49 461.1 Stimmenbruchteile. Oder andersherum: Die größte Partei muss pro Mandat 52 420.8 Stimmenbruchteile aufbringen, die kleinste 49 461.1.

Es wäre bequem und ist durchaus üblich, statt von Stimmenbruchteilen von »Stimmen« zu sprechen und die auftretenden gebrochenen Quotienten auf ganze Zahlen zu runden. Dann würde es etwas wohlgefälliger heißen, dass jeder der 123 Abgeordneten der größten Partei 52 421 »Stimmen« vertritt, das heißt, die größte Partei 52 421 »Stimmen« pro Mandat aufgebracht hat. Diese verführerische Glättung ist aber extrem irreführend. Denn die 52 421 »Stimmen« sind keine Stimmen der Art, wie sie der Wahlleiter im Wahlergebnis feststellt und über deren Existenz und Inhalt es nichts zu diskutieren gibt. Die 52 420.8 Stimmenbruchteile pro Mandat sind eine berechnete Kennzahl. Es steht sehr wohl zur Diskussion, ob diese Kennzahl problemgerecht ist oder nicht.

Wer Stimmenbruchteile wie selbstverständlich zu ganzen Zahlen rundet, läuft Gefahr, die Zuteilungsproblematik zu verkennen. Gäbe es im Wahlgang nicht nur ganze Stimmen, sondern auch gebrochene, oder gäbe es im Parlament nicht nur ganze Mandate, sondern auch gebrochene, dann wäre das Zuteilungsproblem mit einer einfachen Dreisatzrechnung zu lösen. Dem ist ja eben nicht so. Der Quotient vi / mi sollte deshalb mit mindestens einer Dezimalstelle zitiert und treffend als »Stimmenbruchteile pro Mandat« benannt werden.

Ein Wechsel der Kennzahlen von den Erfolgswerten der Wählerstimmen zu den Vertretungsgewichten der Mandate verändert die Grundgesamtheit, auf die der Grundsatz der gleichen Wahl bezogen wird. Es würde überraschen, wären die Schlussfolgerungen bei einem Bezug auf die Wähler genau dieselben wie bei einem Bezug auf die Wahlbewerber. Aus der Gesamtproblematik heraus wäre es ebenso überraschend, würden die Schlussfolgerungen drastisch auseinander klaffen. Wir resümieren kurz einige Einzelheiten. [Anm. 15]

Die erfolgswertoptimale Zuteilungsmethode ist die Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers). Wendet man wie dort auf die Erfolgswerte der Wählerstimmen nun hier auf die Vertretungsgewichte der Mandate das Kriterium an, durch eine Abfolge von Mandatstransfers zwischen je zwei Parteien die Unterschiede der Vertretungsgewichte der auf diese Parteien entfallenden Mandate zu minimieren, so führt dies zu einer zweiten Methode. [Anm. 16] Andererseits kann man auch hier die Summe der Abweichungsquadrate der Vertretungsgewichte aller M Mandate vom idealen Vertretungsgewicht V/M minimieren; diese Zielsetzung führt zu einer dritten Methode. [Anm. 17]

Beide alternativen Zuteilungsmethoden erfordern einen höheren Rechenaufwand und sind weniger transparent als die Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers). In ihren Ergebnissen unterscheiden sich die drei Methoden wenn überhaupt nur um ein Weniges; in den weitaus meisten Anwendungsfällen ergeben sie ein und dasselbe Zuteilungsergebnis. Wir interpretieren dies als eine Bestätigung dafür, dass die Auslegungen der Wahlgleichheit als Gleichheit der Erfolgswerte der Wählerstimmen oder als Gleichheit der Vertretungsgewichte der Mandate sich nur um Nuancen unterscheiden. [Anm. 18]

5. Gleiche Befriedigung der Idealansprüche der Parteien

Die entscheidenden Kennzahlen für den Bayerischen Verfassungsgerichtshof sind weder die Erfolgwerte der Wählerstimmen noch die Vertretungsgewichte der Mandate, sondern die Idealansprüche der Parteien. Mit dem »Idealanspruch der Partei i« bezeichnen wir die sich aus der üblichen Dreisatzrechnung ergebenden Mandatsbruchteile

(vi / V) · M

Der ldealanspruch würde realisierbar sein, wenn es diese Mandatsbruchteile tatsächlich gäbe. Dann würden sie die »genaue proportionale Umrechnung der Stimmenzahl eines Wahlvorschlags auf die zu verteilenden Sitze« [Anm. 19] sicherstellen.

Bei den Bayerischen Landtagswahlen 1998 können die drei Parteien der Reihe nach die folgenden Idealansprüche vorweisen:

(6 447 764/10 642 120)·204 = 12.6    (3 501 900/10 642 120)·204 = 67.1    (692 456/10 642 120)·204 = 13.3

Das Beispiel verdeutlicht, wie die Komplexität der unterschiedlichen Kennzahlen schrittweise abnimmt. Jede Gesamtstimme ist mit ihrem Erfolgswert verknüpft; dies macht 10 642 120 Erfolgswerte. Jedes Mandat hat ein Vertretungsgewicht; dies gibt immer noch 204 Vertretungsgewichte. Jede im Landtag vertretene Partei kommt mit ihrem Idealanspruch daher; es bleiben gerade einmal drei ldealansprüche übrig. Rein von der Anzahl her scheinen die Idealansprüche das Leben zu erleichtern.

Auch der politische Alltag drängt die parteiorientierten Idealansprüche auf. Die vielen, aber anonymen Wähler verblassen in ihrer Bedeutung, je länger der Wahltag zurückliegt. Die wenigen, allzeit präsenten Parteien sind dagegen von sichtbarem Gewicht. Sie bestimmen die Verfassungsrichter; gelegentlich treten sie als Antragsteller direkt vor dem Verfassungsgerichtshof auf, um Wahlstreitigkeiten auszufechten.

Aus der den Parteien zustehenden Chancengleichheit heraus ist es ein wohlbegründetes Verlangen, dass die Mandatszahlen den Idealansprüchen der Parteien so weit wie möglich nahe kommen. Wie zuvor stellt sich die Frage, wie die Abweichung der realisierten Mandatszahlen von den Idealansprüchen gemessen werden soll und ob es dazu eine Zuteilungsmethode gibt, die das jeweilige Abweichungsmaß minimiert. Die Antwort ist eindeutig: Die Zuteilungsmethode, die mit der Befriedigung der Idealansprüche der Parteien optimal harmoniert, ist die Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer). Dies gilt sowohl hinsichtlich der Summe der Beträge der Abweichungen als auch hinsichtlich der Summe der Quadrate der Abweichungen als auch hinsichtlich eines jeden anderen globalen Abweichungsmaßes. [Anm. 20]

Die Steigerung von problemangemessenen Kennzahlen über ein gerechtfertigtes Abweichungsmaß zur optimalen Zuteilungsmethode ist nicht die Gliederung, der der Bayerische Verfassungsgerichtshof folgt. Zwar benennt er die Idealansprüche der Parteien als die Kennzahlen, auf die er seine Sicht des Grundsatzes der gleichen Wahl ausrichtet. Zwar bedrängt er im Endergebnis den Gesetzgeber, »dass die Ersetzung des D'Hondt'schen Höchstzahlverfahrens durch das System nach Hare/Niemeyer bei sonst unveränderten Wahlvorschriften ein besonders einfacher Weg wäre« [Anm. 21], um den Idealansprüchen der Parteien weitgehend nahe zu kommen. Ansonsten verfängt sich das Gericht in einem Dickicht von Thesen, die vom heutigen Stand der Wissenschaften überholt sind und sich zum Teil direkt widersprechen.

6. Die unerlässliche Einhaltung des Idealrahmens

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof scheint keinen Unterschied darin zu sehen, ob er den Gehalt der Wahlgleichheit mit den wählerorientierten Erfolgswerten oder den mandatsorientierten Vertretungsgewichten oder den parteiorientierten Idealansprüchen misst. In einem Atemzug erinnert er an den Grundsatz der möglichst gleichen Erfolgswerte der Wählerstimmen, folgert notwendig daraus die Befriedigung der ldealansprüche der Parteien und zitiert zur Illustration die Vertretungsgewichte der Mandate. [Anm. 22]

Zudem begründet das Gericht seine Entscheidungen mit Thesen, deren Auswirkungen es wohl nicht so recht überblickt. Als erstes greifen wir heraus, was wir die »Unerlässlichkeitsthese« nennen:

»Die genaue proportionale Umrechnung der Stimmenzahl eines Wahlvorschlags auf die darauf entfallenden Sitze führt in der Regel nicht zu einer ganzen, ungebrochenen Mandatszahl, sondern zu einer Mandats–Bruchteilszahl hinter dem Komma. Eine Auf– oder Abrundung zur nächsten ganzen Zahl von Mandaten ist deshalb bei jedem Verteilungsverfahren unerläßlich.« [Anm. 23]

Ausgedrückt in ab– oder aufgerundeten ganzen Mandatszahlen müssten 1998 nach den oben errechneten Idealansprüchen die größte Partei 123 oder 124, die zweitgrößte Partei 67 oder 68 und die kleinste Partei 13 oder 14 Sitze im Landtag erhalten. [Anm. 24]

Ein verfassungsgemäßes Zuteilungsergebnis darf also nur solche Mandatszahlen enthalten, die durch Ab– oder Aufrundung der Idealansprüche der Parteien entstehen können; in diesem Fall sprechen wir von der »Einhaltung des Idealrahmens«. Die Unerlässlichkeitsthese besagt, dass die Einhaltung des Idealrahmens unerlässlich sei.

Als zweites betrachten wir die »Festhaltethese«, mit der das Gericht beharrlich an der Verfassungskonformität der Divisormethode mit Abrundung (Hondt) festhält.[Anm. 25]

»Der Verfassungsgerichtshof hält nach alledem daran fest, daß die Mandatsverteilung nach dem D'Hondt'schen Höchstzahlverfahren jedenfalls bei angemessen großen Wahlkörpern und einer entsprechend großen Zahl von Sitzen nicht gegen Artikel 14 Absatz 1 Satz 1 der Bayerischen Verfassung verstößt.« [Anm. 26]

Es ist unbestreitbar, weil durch einhundertjährige und vielerorts gesammelte Erfahrungen belegt, dass die Divisormethode mit Abrundung (Hondt) »ein am Gerechtigkeitsgedanken orientiertes und folgerichtig durchgeführtes Berechnungssystem« [Anm. 27] ist und den allgemeinen Gleichheitssatz nicht verletzt. Ebenso klar ist aber, dass ein anfänglich vager Gleichheitsgedanke im Laufe der Zeit eine strenge und formale Präzisierung erfahren hat, »weil dem Grundsatz der Wahlgleichheit heute – auch unter dem Einfluß des Grundgesetzes – eine andere Bedeutung beizumessen ist«. [Anm. 28] Im Licht dieses Bedeutungswandels ist die Divisormethode mit Abrundung (Hondt) angreifbar und wird es auch bleiben, weil sie der Wahlgleichheit in der strengen und formalen Bedeutung als Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen nicht so weit Rechnung trägt wie es möglich ist. [Anm. 29]

Die Unerlässlichkeitsthese und die Festhaltethese sind miteinander unvereinbar und können nicht gleichzeitig gelten, da sie sich widersprechen. Bekanntermaßen wird der Idealrahmen gerade von der Divisormethode mit Abrundung (Hondt) häufig gesprengt. Diese Methode kann höchstens dann verfassungskonform sein, wenn auf die Einhaltung des Idealrahmens verzichtet wird. Soweit man Widersprüchlichkeiten und die damit einhergehende Willkür vermeiden will, muss man mindestens eine These aufgeben. [Anm. 30]

Nach dem heutigen Stand der Wissenschaften täte man gut daran, gleich beide Thesen aufzugeben. Die Unerlässlichkeitsthese verengt die Auswahl der verfassungskonformen Zuteilungsmethoden auf solche, die mit irritierenden Paradoxien einhergehen, wie wir im nächsten Abschnitt 7 sehen werden. Die Festhaltethese leidet darunter, dass die systematische Verzerrung der Divisormethode mit Abrundung (Hondt) zu Gunsten der größeren Parteien und zu Lasten der kleineren Parteien in harten Zahlen vorgerechnet werden kann (Abschnitt 8) und diese sich auch dann nicht erweichen lassen, wenn sie mit Worten umschrieben werden.

7. Parteienzuwachs–Paradoxie, Stimmenzuwachs–Paradoxie, Mandatszuwachs–Paradoxie

Jede Zuteilungsmethode ist eine Rechenvorschrift, wie aus den durch den Wahlausgang vorgegebenen Größen die Mandatszahlen m1, m2, ..., ml berechnet werden. Diese vorgegebenen Größen, die in die Rechnung eingehen, sind die Anzahl l der am Zuteilungsverfahren beteiligten Parteilisten, die auf sie entfallenden zuteilungsberechtigten Stimmen v1, v2, ..., vl und die Gesamtzahl M aller zuzuteilenden Mandate. Wenn sich diese Eingangsgrößen ändern, dann sollte eine Zuteilungsmethode darauf in einer Weise reagieren, die dem gesunden Menschenverstand nicht zuwiderläuft. Dies ist nicht immer der Fall, in der Tat können die Mandatszahlen in kurioser Weise verkehrt werden.

Es gibt Fälle, in denen ein Mandat transferiert werden muss, weil eine neue Partei hinzutritt, die ansonsten so klein ist, dass sie leer ausgeht. Dass unter den alten Parteien eine der anderen ein Mandat abnimmt je nachdem, ob eine erfolglose neue Partei in der Rechnung mitgeführt wird oder nicht, irritiert; wir sprechen von der »Parteienzuwachs–Paradoxie«.

Es gibt Fälle, bei denen eine Partei ein Mandat mehr bekommt, obwohl sie als einzige Stimmen verliert und alle anderen Parteien Stimmen dazugewinnen. Dass eine der Parteien, die wachsen, ein Mandat abgeben muss an die einzige Partei, die schrumpft, ist widersinnig; wir sprechen von der »Stimmenzuwachs–Paradoxie«.

Es gibt Fälle, bei denen eine Vergrößerung der Gesamtzahl der Mandate sich so auswirkt, dass eine Partei ein Mandat verliert. Eine Verteilungsrechnung, die einem Beteiligten etwas wegnimmt mit der Begründung, dass es mehr zu verteilen gibt, ist absurd; wir sprechen von der »Mandatszuwachs–Paradoxie«.

Welche Zuteilungsmethoden sind immun gegen diese Paradoxien, welche sind anfällig dafür? Es ist das Verdienst von Michel L. Balinski und H. Peyton Young, solche strukturellen Fragen formuliert und in Strenge beantwortet zu haben. Auf der positiven Seite stellen sie fest, dass die genannten Paradoxien niemals auftreten können, wenn die Zuteilungsmethode eine Divisormethode ist. [Anm. 31] Auf der negativen Seite ist die allgemeine Aussage die, dass jede Zuteilungsmethode, die immer den Idealrahmen einhält, gelegentlichen Paradoxien unterworfen ist. Auch wenn solche Aussagen ohne Ansehen des Einzelfalls schon allein aus den Struktureigenschaften von Zuteilungsmethoden gefolgert werden können, so ist es dennoch lehrreich, die abstrakten Überlegungen durch Beispiele zu konkretisieren. Die Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) hält den Idealrahmen immer ein; an ihr kann man alle drei Paradoxien studieren. [Anm. 32]

Die Parteienzuwachs–Paradoxie trat in der 15. Wahlperiode 1993–1997 der Hamburger Bürgerschaft auf. Es gab drei Fraktionen mit jeweils 58, 36, 20 Abgeordneten, eine Gruppe mit fünf Abgeordneten und zwei fraktionslose Abgeordnete. Mit der Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) ergibt das Stärkeverhältnis 58, 36, 20, 5, 1, 1 in der Bürgerschaft für 15 zu besetzende Deputationssitze das Zuteilungsergebnis 7, 4, 3, 1, 0, 0. Den fraktionslosen Abgeordneten wird kein Sitz zugeteilt; ihr Status macht es eh strittig, ob sie überhaupt zu berücksichtigen sind oder nicht. Aber werden sie nicht mitgeführt und wird vom Stärkeverhältnis 58, 36, 20, 5 ausgegangen, so lautet das Zuteilungsergebnis anders, nämlich 7, 5, 2, 1. Die Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) transferiert also einen Sitz von der drittgrößten zur zweitgrößten Fraktion in Abhängigkeit davon, ob die fraktionslosen Abgeordneten auf die eine Art leer ausgehen oder auf die andere. [Anm. 33]

Die Stimmenzuwachs–Paradoxie empfinden wir einem Sachverhalt nach, mit dem sich der Wahlprüfungsausschuss zu befassen hatte. [Anm. 34] Ein vorläufiges Wahlergebnis sei mit 20 131 269, 13 974 908, 3 309 480, 3 296 624, 3 080 725, 2 515 684 Stimmen gegeben; die Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) liefert dafür die Mandatszahlen 285, 198, 47, 47, 44, 35. Es wird geltend gemacht dass beim endgültigen Wahlergebnis 230 Stimmen nicht der kleinsten, sondern der zweitkleinsten Partei zuzurechnen sind; zusammen mit anderen Wahlfehlern könne der Zählfehler zuteilungsrelevant sein. Der Wahlprüfungsausschuss lehnt den Einspruch ab auf der Grundlage ausführlicher Rechnungen, die ceteris paribus – das heißt bei unverändertem Ergebnis für die anderen vier Parteien – durchgeführt werden.

Ohne diesen ceteris–paribus–Ansatz wäre auch Folgendes denkbar. Im endgültigen Wahlergebnis weisen die anderen vier Parteien insgesamt 100 000 Stimmen mehr auf, und zwar kommen der Reihe nach 50 000, 30 000, 15 000, 5000 Stimmen hinzu. Für das endgültige Ergebnis von 20 181 269, 14 004 908, 3 324 480, 3 301 624, 3 080 955, 2 515 454 Stimmen ändert sich die Hare/Niemeyer–Zuteilung zu 285, 198, 47, 47, 43, 36. Es kann keine Rede davon sein, dass die sechste Partei, weil sie Stimmen verloren hat, ein Mandat hergeben muss. Im Gegenteil, sie bekommt ein Mandat dazu! Dass der einzige Stimmenverlierer einem der fünf Stimmengewinner ein Mandat wegnimmt, ist paradox.

Die Mandatszuwachs–Paradoxie schließlich wurde durchaus schon gezielt praktiziert, und zwar im Gefolge der Kreistagswahl im Wetteraukreis (Hessen) am 12. März 1989. Vier Parteien zogen mit jeweils 38, 29, 7, 5 Abgeordneten in den Kreistag ein. Die Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) hätte der vierten Partei einen von 9 Sitzen im Kreisausschuss zugeteilt. Dies wusste die Kreistagsmehrheit zu verhindern, indem sie die Zahl der Sitze um einen erhöhte auf 10. Die Hare/Niemeyer–Zuteilung von 9 Sitzen ist 4, 3, 1, 1, die von 10 Sitzen 5, 4, 1, 0. Die vierte Partei ging nun leer aus und jede der beiden großen Parteien wurde für das Manöver mit einem Sitz belohnt. [Anm. 35]

Besteht der Bayerische Verfassungsgerichtshof auf seiner Unerlässlichkeitsthese, die die Einhaltung des Idealrahmens zum Dogma macht, dann wären in Bayern paradoxienfreie Zuteilungsmethoden verfassungswidrig. Die Auswirkungen, die die Unerlässlichkeitsthese nach sich zieht, hat das Gericht wohl so nicht überblickt.

Andererseits bringt es die Unerbittlichkeit der Logik mit sich, dass alle Divisormethoden, eben weil sie den genannten Paradoxien nicht unterworfen sind, den Idealrahmen gelegentlich sprengen. Abstrakt–akademisch ist diese Aussage richtig, sowohl für die erfolgswertoptimale Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) als auch für die Divisormethode mit Abrundung (Hondt). Konkret–real allerdings trennen die beiden Methoden Welten. Die Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) verlässt den Idealrahmen ganz selten. Die Divisormethode mit Abrundung (Hondt) sprengt ihn sehr oft und dann immer auf dieselbe Weise, indem die Zuteilung für eine große Partei zu deren Gunsten über den Idealanspruch hinausschießt. Diese Verzerrungen lassen sich quantifizieren, wie wir nun zeigen werden. [Anm. 36]

8. Verzerrte und unverzerrte Mandatszahlen

Für eine jede Partei i kann die Mandatszahl mi dem Idealanspruch

(vi / V) · M

höchstens dann gleich werden, wenn der Idealanspruch keinen Bruchteil aufweist. Dies ist ein extrem seltenes Ereignis. Im Einzelfall ist deshalb hinzunehmen, dass die Abweichung

mi – (vi / V) · M
entweder negativ ist und die Mandatszahl unter dem Idealanspruch zurückbleibt, oder dass sie positiv ist und die Mandatszahl über den Idealanspruch hinausgeht. In Wiederholungsfällen sollte man allerdings erwarten dürfen, dass sich negative und positive Abweichungen ausgleichen und, wenn schon nicht einzeln, so doch zumindest im Durchschnitt fast verschwinden. Den so gebildeten Durchschnitt nennen wir die »Mandatsverzerrung der Partei i«. Ist die Mandatsverzerrung von Null verschieden, heißen die Mandatszahlen »verzerrt«; ist sie gleich Null, heißen sie »unverzerrt«. [Anm. 37]

Es ist in der Literatur wohlbekannt, dass die Mandatsverzerrung einer Partei sowohl von der Zuteilungsmethode als auch von ihrer Rangfolge bezüglich der anderen Parteien abhängt. Im vorliegenden Aufsatz konzentrieren wir uns auf die Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers), die Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) und die Divisormethode mit Abrundung (Hondt). Wir beschränken uns auf Wahlen, in denen genau drei Parteien bei der Mandatszuteilung berücksichtigt werden (l = 3). Den Schaubildern 3 und 4 kann man entnehmen, dass dadurch sieben Bayerische Landtagswahlen erfasst werden.

Die Durchschnittsbildung, die für die Berechnung der Verzerrung erforderlich ist, kann entweder unter zusätzlichen Annahmen theoretisch vollzogen werden; wir sprechen dann von einer »theoretischen Mandatsverzerrung«. Oder die Durchschnittsbildung beruht auf empirischen Daten, dies führt zu einer »empirischen Mandatsverzerrung«. Im Folgenden beschreiben wir erst die theoretischen Ergebnisse, untersuchen dann deren Verträglichkeit mit den emphischen Werten aus den sieben Bayerischen Landtagswahlen und diskutieren schließlich die Ausführungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs.

In Schaubild 5 ist getrennt nach Zuteilungsmethode für drei Parteien dargestellt, wie sich die theoretischen Mandatsverzerrungen bei wachsender Gesamtmandatszahl M verändern. [Anm. 38] Bei der Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) starten die Mandatsverzerrungen für alle drei Parteien von vorneherein mit sehr kleinen Werten, werden noch kleiner und verschwinden, wenn die Gesamtzahl der zuzuteilenden Mandate über alle Grenzen wächst. Die zehnfache Vergrößerung in Schaubild 6 lässt erkennen, dass die Mandatszahlen sowohl für die größte Partei als auch für die mittlere Partei positiv verzerrt sind. Die beiden größten Parteien dürfen geringe Vorteile erwarten, die auf Kosten allein der kleinsten Partei gehen. Zum Beispiel wird in einem Wahlkreis mit 30 Mandaten bei 1000–facher Wiederholung der Wahlen die größte Partei 8 Mandate zu viel und die mittlere 2 zu viel bekommen, so dass für die kleinste Partei 10 Mandate zu wenig bleiben, jeweils im Vergleich zu den zugehörigen Idealansprüchen.

Ähnliches gilt für die Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer). Bei wiederum 30 Mandaten und 1000 Wahlwiederholungen können die größte und die mittlere Partei einen Vorteil von je 6 Mandaten erwarten; zum Ausgleich muss die kleinste Partei einen Nachteil von 12 Mandaten befürchten. Hier sind die erwarteten Vorteile für die größte und für die mittlere Partei fast gleich (und sogar genau gleich, wenn die Mandatszahl M ein Vielfaches von 3 ist). Der Nachteil für die kleinste Partei ist ungünstiger als bei der Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers), aber nur um ein Weniges. Bei diesen beiden Methoden sind die Verzerrungswerte so winzig, dass die Mandatszahlen der drei Parteien aus praktischer Sicht als unverzerrt anzusehen sind.

Nichts dergleichen gilt für die Divisormethode mit Abrundung (Hondt). Anstatt dass die Mandatsverzerrungen bei wachsender Mandatszahl M schließlich verschwinden, stabilisieren sie sich sehr bald auf sichtbarem Niveau. Unabhängig von der Gesamtzahl der zuzuteilenden Mandate kann man durchgängig erwarten, dass bei 1000 Wahlen die größte Partei 416 Mandate mehr erhält als ihre Idealansprüche ausmachen. Zum Ausgleich bleiben der mittleren Partei 83 Mandate und der kleinsten Partei 333 Mandate zu wenig. Die D'Hondt–Mandatszahlen sind verzerrt, und zwar zu Gunsten der größten Partei und zu Lasten sowohl der mittleren, als auch insbesondere der kleinsten Partei.

Zum Vergleich mit den theoretischen Ergebnissen haben wir die Daten derjenigen sieben Bayerischen Landtagswahlen ausgewertet, in denen genau drei Parteien in den Landtag einzogen. [Anm. 39] Bei je sieben getrennten Wahlkreisen liegen somit 49 Beobachtungswerte vor. Für die größte, die mittlere und die kleinste Partei streuen die beobachteten Differenzen zwischen Mandatszahl und Idealanspruch um den Wert Null in einer Weise, die mit der praktischen Unverzerrtheit, die wir oben theoretisch begründet haben, in gutem Einklang steht. Für die Divisormethode mit Abrundung (Hondt) beträgt der mittlere Wert der 49 beobachteten Differenzen zwischen Mandatszahl und Idealanspruch

        für die größte Partei +0.4 Mandatsbruchteile,
        für die mittlere Partei –0.1 Mandatsbruchteile und
        für die kleinste Partei –0.3 Mandatsbruchteile.

Diese empirischen Daten sind schön verträglich mit den theoretisch vorhergesagten Verzerrungen von +5/12 = +0.416, –1/12 = –0.083 bzw. –4/12 = –0.333 Mandatsbruchteilen.

Schaubild 5

Schaubild 6

Wir wenden uns nun den Ausführungen zu, die der Bayerische Verfassungsgerichtshof der Divisormethode mit Abrundung (Hondt) widmet. Es ist dem Gericht bewusst, dass es viele Wege gibt, um das Zuteilungsergebnis nach dieser Methode zu berechnen. [Anm. 40] Die ausführliche Verbalisierung eines Rechenweges [Anm. 41] kann aber nicht zu Schlüssen zwingen, ob die Methode den Verfassungsgrundsätzen genügt oder nicht. Rechenwege, Vorabzuteilung, Reststimmenausgleich oder andere Teilschritte sind nebensächlich, Hauptsache ist das Zuteilungsergebnis als Ganzes im Licht der Wahlgrundsätze der Verfassung.

In den Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs zur Verfassungswidrigkeit der Divisormethode mit Abrundung (Hondt) im Bayerischen Landeswahlgesetz findet man vordergründig keinen Verweis auf eine Durchschnittsbildung, wie es der hier benutzte Verzerrungsbegriff verlangt. [Anm. 42] Im Gegenteil scheint das Gericht die Einmaligkeit zu betonen. »Die im Vorlagebeschluss auf der Grundlage der Landtagswahl von 1990 dargestellten Zahlen haben deutlich gemacht, daß die jeweils getrennte Anwendung des D'Hondt'schen Höchstzahlverfahrens bei der Verteilung von sieben Sitzkontingenten in den sieben Wahlkreisen insgesamt zu einer Zusammensetzung des Landtags führen kann, die dem Proporz landesweit nicht gerecht wird.« [Anm. 43] Dass dann doch nicht die Einmaligkeit 1990, sondern die Regelmäßigkeit entscheidend ist, wird in den Folgesätzen deutlich: »Aus den von der Staatsregierung vorgelegten Berechnungen anhand der Landtagswahlergebnisse von 1974 bis 1990 geht hervor, daß es Verteilungsverfahren gibt, die dem landesweiten Proporz unter Wahrung des Verfassungsgebots der Wahl in Wahlkreisen regelmäßig näher kommen als die Sitzverteilung unter siebenfacher Anwendung des D'Hondt'schen Höchstzahlverfahrens. Die Sitzverteilung auf der Grundlage des Artikels 41 Absatz 2 des Landeswahlgesetzes und der entsprechenden vorangegangenen Regelungen führte danach von 1974 bis 1990 immer zu Abweichungen, und zwar zugunsten der größten Partei in der Größenordnung zwischen einem und sechs Mandaten und zuungunsten der kleinsten Partei in der Größenordnung zwischen zwei und fünf Mandaten. [Anm. 44]

Das im vorstehenden Zitat von uns kursiv gesetzte »regelmäßig« und »immer« ist der Dreh– und Angelpunkt. Denn würde bei der größten Partei dem 1990 eingetretenen Überschuss von 127 – 0.594 – 204 = +5.8 Mandatsbruchteilen ein entsprechender Fehlbetrag bei einer anderen Wahl gegenüberstehen, dann würde der Einmaligkeit die Systematik fehlen; eine ausgeglichene Bilanz könnte wohl kaum eine Verfassungswidrigkeit begründen. Dies hat der Gerichtshof schon 1952 herausgearbeitet. »Bei der Beurteilung der Frage, welche Bedeutung [ein Artikel des] Landeswahlgesetzes hat, welche Auswirkung ihm auf die Verteilung der Abgeordnetensitze zukommt, ist deshalb nicht von einem konstruierten, theoretisch denkbaren äußersten Fall (einer Grenzsituation), sondern vom e r f a h r u n g s g e m ä ß e n D u r c h s c h n i t t s f a l l auszugehen.« [Anm. 45] Der Durchschnittsfall ist eben gerade das, was dem Verzerrungsbegriff zu Grunde liegt. Die Mandatsverzerrungen, die der Divisormethode mit Abrundung (Hondt) innewohnen, sind das Problem, nicht der Grundsatz der Wahl in abgeschlossenen Wahlkreisen.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof sagt von sich, »er ist davon ausgegangen, daß das Ausmaß der Benachteiligung kleiner Parteien durch das D'Hondt'sche Höchstzahlverfahren außer von der Zahl der gültigen Stimmen auch von der Zahl der zu vergebenden Mandate mit abhängt.« [Anm. 46] Für eine irgendwie geartete Abhängigkeit von der Zahl der gültigen Stimmen ist keine Formel bekannt, weshalb eine solche Feststellung mit einer gewissen Unverbindlichkeit daherkommt; wohl ist die Abhängigkeit von der Rangfolge der Parteien zu beachten. [Anm. 47] Eine praktisch bedeutsame Abhängigkeit der Verzerrungen von der Zahl der zu vergebenden Mandate wird von Schaubild 5 nicht bestätigt; die D'Hondt–Mandatsverzerrungen betragen ziemlich konstant +5/12, –1/12 bzw. –4/12 Mandatsbruchteile für die größte, die mittlere und die kleinste von drei Parteien. Dagegen sind die Sitzzahlen der Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) und der Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) praktisch unverzerrt.

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof sitzt einem weitverbreiteten Fehlurteil auf, wenn er zitiert: »Während sich das D'Hondt'sche Höchstzahlverfahren infolge der ihm eigenen Zwangsläufigkeit zugunsten der großen Parteien auswirke, begünstige das Verfahren der mathematischen Proportion eher die kleinen Gruppierungen.« [Anm. 48] Es ist offenbar allzu verführerisch, das Ende einer Benachteiligung umzudeuten in den Anfang einer Begünstigung. Viele Wahlrechtsexperten äußern sich ähnlich missverständlich. [Anm. 49] Aber für die Begünstigung der kleinsten Partei durch die Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) gibt es nirgendwo in der Literatur einen Beweis und kann es auch keinen geben, denn Schaubild 6 beweist das Gegenteil. Die kleinste Partei wird weiterhin benachteiligt, nur eben um eine ganze Größenordnung schwächer als bei der Divisormethode mit Abrundung (Hondt).

Im Nebel der Argumente droht die Orientierung verloren zu gehen. Ziel ist zu prüfen, inwieweit eine Zuteilungsmethode dem Grundsatz der gleichen Wahl genügt. Die gleiche Befriedigung der Idealansprüche der Parteien ist wichtig, die Gleichheit der Vertretungsgewichte der Mandate mag wichtiger sein, aber am wichtigsten ist die Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen. Wir überzeugen uns abschließend an Hand der Bayerischen Landtagswahlen, dass zwischen dem Grundsatz der Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen und dem Grundsatz der Wahl in abgeschlossenen Wahlkreisen kein Gegensatz besteht.

9. Wahl in abgeschlossenen Wahlkreisen

Eine Besonderheit des Wahlsystems für den Bayerischen Landtag ist die räumliche Gliederung des Abstimmungsgebiets in sieben abgeschlossene Wahlkreise. [Anm. 50] Für den Bayerischen Verfassungsgerichtshof konkurriert dieser Grundsatz der Wahl in getrennten Wahlkreisen mit dem Grundsatz der gleichen Wahl. Unsere Untersuchungen können ein solches Konfliktpotenzial nicht bestätigen.

Um nicht allein auf abstrakte Herleitungen zu bauen, haben wir mit den Daten der vierzehn Bayerischen Landtagswahlen 1946–1998 fiktive Vergleichsrechnungen angestellt. In den Vergleichsrechnungen werden die Mandatszuteilungen in den sieben Wahlkreisen getrennt bestimmt und danach auf Landesebene zusammengezählt. Diese Ergebnisse bewerten wir nach ihrer Nähe zu den optimalen Erfolgswerten, die sich aus der Anwendung der Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) auf das landesweite Stimmenergebnis ergeben. [Anm. 51]

In den Schaubildern 7 und 8 sind die fiktiven, mit einem Kreuz (x) gekennzeichneten Erfolgswerte so berechnet, dass die Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) siebenmal getrennt in den Wahlkreisen angewendet wurde. Die optimalen Erfolgswerte sind wie in den früheren Schaubildern durch einen fetten Punkt dargestellt. Überraschenderweise stimmen in vier Wahlen fiktive und optimale Erfolgswerte vollkommen überein. In fünf Wahlen weicht das fiktive Ergebnis um nur einen Mandatstransfer vom optimalen Ergebnis ab, in den restlichen fünf Wahlen um zwei. Über alle vierzehn Wahlen gesehen unterscheiden sich die fiktiven von den optimalen Mandatszahlen um 15 Mandatstransfers. Aufgeschlüsselt nach Parteien ist die fiktive Mandatszahl gleich der optimalen in der Hälfte der Fälle, nämlich 25 von 50. Elfmal bekommt eine Partei ein Mandat zuviel und zweimal eine Partei zwei; neunmal hat eine Partei ein Mandat zuwenig, dreimal sind zwei Mandate zuwenig.

Schaubild 7

Schaubild 8

In Ergänzung zu den Schaubildern haben wir darüber hinaus die fiktive Zuteilung mit der Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) vorgenommen. Für deren Mandatszahlen ist die Nähe zum optimalen Ergebnis nicht ganz so gut, aber nur um ein Weniges. Volle Übereinstimmung erhält man nur bei drei Wahlen. Insgesamt sind für die Überführung in die optimalen Ergebnisse 18 Mandatstransfers nötig. Pro Partei betrachtet sind in 20 der 50 Fälle fiktive und optimale Mandatszahlen identisch, ansonsten streuen die Differenzen zwischen fiktiven und optimalen Mandatszahlen stärker als vorher bei der Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers).

Wird schließlich die fiktive Zuteilung mit der Divisormethode mit Abrundung (Hondt) berechnet, so muss man eher eine Ferne als eine Nähe zum optimalen Ergebnis feststellen. Bei keiner Wahl fällt die D'Hondt–Zuteilung mit der optimalen Zuteilung zusammen. Insgesamt sind 57 Mandatstransfers nötig, das heißt rund vier pro Wahl, um zur optimalen Zuteilung überzugehen. Nur in 5 der 50 Fälle bekommt eine Partei ihre optimale Mandatszahl zugewiesen; die Differenzen zwischen fiktiven und optimalen Mandatszahlen schwanken zwischen vier Mandaten zuwenig (zweimal) und sieben Mandaten zuviel (einmal).

Die folgenden beiden Übersichten fassen zusammen, wie sich die Mandatszahlen, die sich bei getrennter Auswertung in den sieben Wahlkreisen mit einer der drei Methoden ergeben, zu den erfolgswertoptimalen Mandatszahlen auf Landesebene verhalten:

Abstände zu den optimalen Zuteilungen bei 14 Bayerischen Landtagswahlen
Notwendige Zahl von Mandatstransfers 0     1     2     3     4     5     6     7    
Divisormethode mit Standardrundung 4 5 5
Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten       3 6 3 2
Divisormethode mit Abrundung 1 6 1 3 2 1

Abstände zu den optimalen Mandatszahlen für die 50 beteiligten Parteifälle
Differenz der Mandatszahlen –4    –3    –2    –1    0    1    2    3    4    5    6    7   
Divisormethode mit Standardrundung 3 9 25 11 2
Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten    1 1 13 20 12 3
Divisormethode mit Abrundung 2 10 6 7 5 4 5 6 2 2 1

Diese empirischen Daten zeigen eine beeindruckende Nähe der fiktiven zu den optimalen Erfolgswerten in dem Fall, dass die fiktiven Mandatszuteilungen mit der Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) berechnet werden. Diese Nähe erklärt sich aus der Erfolgswertoptimalität und der Unverzerrtheit dieser Methode. Die Ferne zu den optimalen Zuteilungen, die mit der Divisormethode mit Abrundung (Hondt) einhergeht, ist als Folge der stark verzerrten Mandatszahlen eben nur ihr eigentümlich.

Zusammenfassend stellen wir fest, dass der Grundsatz der gleichen Wahl und der Grundsatz der Wahl in getrennten Wahlkreisen sich dann nicht widersprechen, wenn die Mandatszuteilungsmethode mit Bedacht ausgewählt wird. Nur bei einer willkürlichen Auswahl der Zuteilungsmethode kann es zu Schwierigkeiten kommen, wie die Erfahrungen mit der Divisormethode mit Abrundung (Hondt) belegen.

10. Resümee

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat 1952 in einer Entscheidung zum Gemeindewahlgesetz den Verfassungsgrundsatz der gleichen Wahl dahin gehend präzisiert, dass er vorrangig die Gleichheit der Erfolgswerte der Wählerstimmen verlangt. Die Zuteilungsmethode, die am besten mit der Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen harmoniert, ist die Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers).

Der Grundsatz der Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen überzeugt in einem Maß, dass er heutzutage auch für andere Wahlgesetze, soweit sie sich an der Verhältniswahl orientieren, zur Richtschnur geworden ist. Er birgt eine begriffliche Genauigkeit in sich, die es in weit stärkerem Maß als bisher wahrgenommen erlaubt, die Auswirkungen der Mandatszuteilungsmethoden im Wahlsystem zu beurteilen.

In seinen jüngsten Entscheidungen orientiert sich der Gerichtshof an anderen Gleichheitsvorstellungen, die auf die Vertretungsgewichte der Mandate oder die Idealansprüche der Parteien hinzielen. Eine Rückkehr zur Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen würde die Argumentationslinien des Gerichts begradigen und der inneren Konsistenz seiner Entscheidungen dienlich sein.

Zudem sollte der Bayerische Verfassungsgerichtshof sein Dogma aufgeben, eine Ab– oder Aufrundung der Idealansprüche zur nächsten ganzen Zahl sei »unerlässlich«. Abgesehen von den Paradoxien, die damit einhergehen, macht sich das Gericht damit ohne Not zum Fürsprecher einer Gleichheitsvorstellung, die die Wähler als demokratischen Souverän abwertet und durch die Parteien ersetzt.

Soweit der Gerichtshof beharrlich an der Divisormethode mit Abrundung (Hondt) festhalten will, sollte er doch zumindest auf dem heutigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse argumentieren, anstatt sich mit Rückverweisen auf frühere Selbstzitate zu begnügen. Der Gewinn solcher Aufgeschlossenheit käme der Gesellschaft als Ganzes zu Gute, indem die Urteile des Verfassungsgerichtshofs nicht nur de jure gelten, sondern auch lege artis.

Zusammenfassung

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof entfaltete in einer Entscheidung 1952 den Grundsatz der gleichen Wahl dahingehend, dass er vor allen Dingen die Gleichheit der Erfolgswerte der Wählerstimmen verlangt. Jüngere Entscheidungen deuten eine wachsende Bereitschaft an, den Erfolgswert einer Wählerstimme durch konkurrierende Konzepte zu ersetzen, wie etwa das Vertretungsgewicht eines Mandats oder den Idealanspruch einer Partei. Wir zeigen, dass der ursprüngliche Grundsatz der Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen es in stärkerem Maß als bisher wahrgenommen ermöglicht, die existierenden Mandatszuteilungsmethoden hinsichtlich ihrer Auswirkungen im Wahlsystem zu beurteilen.

Summary

In a 1952 decision the Bavarian Constitutional Court ruled that, in the Bavarian Constitution, the principle of equal election primarily calls for the equality of the success ratios of the votes (Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen). However, some of the recent decisions indicate a growing tendency to substitute the success ratio of a vote by competing notions, the representative weight of a seat, or the ideal share of seats of a party. We contend that the original principle, equality of the success ratios of the votes, has a much stronger operational Potential than has been realized to date.


* Ich danke Professor Norman R. Draper, University of Wisconsin – Madison, für wertvolle Diskussionen zum vorliegenden Thema; die Zusammenarbeit wurde durch einen Max–Planck–Forschungspreis gefördert.

Anmerkung 1. Victor D'Hondt (20. November 1841 – 30. Mai 1901), Professor für Zivil– und Steuerrecht an der Universität Gent [Georges Beatse, »Victor D'Hondt« in: Université de Gand, Liber memorialis, Notices biographiques, Tome 1, Faculté de philosophie et lettres et Faculté de droit, Gand 1913, S. 428–429]. Thomas Hare (28. März 1806 – 6. Mai 1891), Rechtsanwalt und Inspector of Charities in London [David Bank / Anthony Esposito, British Biographical Index, Band 2, London 1990, S. 852]. Horst F. Niemeyer (* 30. Juni 1931), Professor emeritus für Mathematik an der Rheinisch–Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, davor an der Universität Marburg [Horst F. Niemeyer, »Verhältniswahlverfahren« in: Mathematik lehren 88 (1998), S. 59–65]. André Sainte–Laguë [sãt la'gy] (20. April 1882 – 18. Januar 1950), Professor für Mathematik am Conservatoire des arts et métiers in Paris [Jérôme Chastenet de Géry, »Sainte–Laguë, André (1882–1950), Professeur de Mathématiques générales en vue des applications« in: Les Professeurs du Conservatoire national des arts et métiers, Dictionnaire biographique 1794–1935, Tome 2, Hg. Claudine Fontanon / André Grelon, Paris 1994, S. 522–525]. Hans Schepers (* 18. Februar 1928), Leiter der Gruppe Datenverarbeitung der wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages. – Siehe auch Klaus Kopfermann, Mathematische Aspekte der Wahlverfahren – Mandatsverteilung bei Abstimmungen, Mannheim 1991; oder die wegweisende Monographie von Michel Louis Balinski / Hobart Peyton Young, Fair Representation – Meeting the Ideal of One Man, One Vote, New Haven, CT 1982.

Anmerkung 2. VerfGH 5 (1952) 66–84 [74]; zitiert in BVerfGE 1 (1952) 208–263 [246]. Weitere Nachweise in VerfGH 28 (1975) 222–242 [234]; 47 (1994) 184–194 [190]; BVerfGE 95 (1997) 335–407 [371].

Anmerkung 3. VerfGH 19 (1966) 100–105 [103]; Verfassung des Freistaates Bayern, Artikel 14, Absatz 4. Anders dagegen Rainer–Olaf Schultze/Jürgen Ender, »Aus aktuellem Anlaß: Bayerns Wahlsystem – verfassungspolitisch bedenklich?« in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 22 (1991), S. 150–160 [155], die ihren P–Index nicht auf die zuteilungsberechtigten, sondern auf die gültigen Stimmen beziehen.

Anmerkung 4. VerfGH 45 (1992) 54–67 [63]. Schon früher war in VerfGH 28 (1975) 222–242 [223] festgestellt worden, dass der Grundsatz der Wahlgleichheit auf Landesebene dem Grundsatz der Wahl in abgeschlossenen Wahlkreisen übergeordnet ist. »Die Wahlgleichheit kann eine Modifizierung des Grundsatzes der Wahl in Wahlkreisen erfordern, um ungerechtfertigte Differenzierungen des Erfolgswerts der Wählerstimmen zu beseitigen.«

Anmerkung 5. Da die Gesamtstimmenzahlen jeweils etwa doppelt so groß sind wie die Wählerzahlen, wird für die Linienzüge im unteren Teil des Schaubildes zur Erleichterung der Vergleichbarkeit der Mittelwert von Erst– und Zweitstimmen (= Gesamtstimmen/2) verwendet. Ausgenommen davon ist die Wahl zum 1. Bayerischen Landtag 1946, bei der jeder Wähler nur eine Stimme hatte.

Anmerkung 6. VerfGH 45 (1992) 12–23 [21].

Anmerkung 7. VerfGH 47 (1994) 184–194 [190]. Schon früher in BVerfGE 1 (1952) 208–263 [248]. »Der Vorzug der Verhältniswahl wird nun gerade darin gesehen, dass sie den Anteil an den Sitzen irn Parlament in möglichst genaue Übereinstimmung mit dem Stimmenanteil der verschiedenen politischen Richtungen im Lande bringt.«

Anmerkung 8. Vergleiche Michael Gallagher, »Proportionality, disproportionality and electoral systems« in: Electoral Studies 10 (1991), S. 33–51; oder die Parabel von den drei Strafrichtern in Georg Pólya, »Über die Verteilungssysteme der Proportionalwahl« in: Zeitschrift für schweizerische Statistik und Volkswirtschaft 54 (1918), S. 363–387 [367].

Anmerkung 9. VerfGH 14 (1961) 17–25 [22]; Nds.StGHE 1 (1978) 335–372 [351].

Anmerkung 10. VerfGH 2 (1949) 181–220 [212].

Anmerkung 11. VerfGH 45 (1992) 54–67 [65].

Anmerkung 12. Überraschenderweise ist die Divisiormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) noch in einem zweiten Sinn efolgswertoptimal, denn sie minimiert auch die Summe der Abweichungsquadrate aller Stimmen vom idealen Erfolgswert 1. Dieses Kriterium legte Sainte–Laguë seinen 1910 erschienenen Aufsätzen zu Grunde, siehe Friedrich Pukelsheim »Mandatszuteilungen bei Verhältniswahlen: Erfolgswertgleichheit der Wählerstimmen« in: Allgemeines Statistisches Archiv 84 (2000) Heft 4. Wir begnügen uns hier mit dem handfesteren Optimalitätskriterium, durch eine Folge von Mandatstransfers die Erfolgswertunterschiede so weit wie möglich abzubauen.

Anmerkung 13. Im Beispiel der Bayerischen Landtagswahl 1998 kann jede Zahl d zwischen 51 880.1 und 52 208.6 als Divisor dienen, etwa der Wahlschlüssel V/M = 10 642 120 / 204 = 52 167.3 oder die bequemere runde Zahl 52 000. Damit ergeben sich die Quotienten

6 447 764 / 52 000 = 123.995           3 501 900 / 52 000 = 67.344           692 456 / 52 000 = 13.316

Standardrundung bedeutet – wie bei der bekannten kaufmännischen Rundung sonst auch – Abrundung bei einem Nachkommarest von weniger als 0.5 und Aufrundung bei einem Nachkommarest von mehr als 0.5. Abgesehen vom Rundungseffekt entfällt also ein Mandat auf rund 52 000 Gesamtstimmen. Das erfolgswertoptimale Ergebnis teilt den drei Parteien somit 124, 67, 13 Mandate zu, so dass das realisierte Zuteilungsergebnis 123, 67, 14 nur um den Transfer eines Mandats abweicht.

Anmerkung 14. Verfassung des Freistaates Bayern, Artikel 14, Absatz 1.

Anmerkung 15. Siehe Friedrich Pukelsheim, »Mandatszuteilungen bei Verhältniswahlen: Vertretungsgewichte der Mandate« in: Kritiscbe Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 83 (2000) Heft 1 [Abschnitte 3–5].

Anmerkung 16. Divisormethode mit harmonischer Rundung (Dean), siehe Balinsk/Young, aaO. (FN 1), S. 30.

Anmerkung 17. Divisormethode mit geometrischer Rundung (Hill/Huntington, method of equal proportions), siehe Balinski/Young, aaO. (FN 1), S. 48.

Anmerkung 18. Als Kennzahlen haben wir bis hierher die Erfolgswerte der Wählerstimmen oder die Vertretungsgewichte der Mandate betrachtet, als Ungleichheitsmaße die Unterschiede je zweier Kennzahlen und die Summe aller Abweichungsquadrate zwischen Kennzahl und Idealwert. Speziell in diesen Fällen kann man sagen, welche Zuteilungsmethode optimal ist. Es ist aber nicht so, dass allgemein alle problemangemessenen Kennzahlen und alle problemangemessenen Ungleichheitsmaße zu einer wohlbestimmten Zuteilungsmethode führen. Das Kriterium, dass im paarweisen Vergleich einer großen Partei i und einer kleinen Partei j das Vielfache der Stimmenzahlen vi / vj mit dem möglichst gleichen Vielfachen der Mandatszahlen mi  /mj einhergehen soll, taugt nicht zur Problemlösung, auch wenn es ganz plausibel klingt, siehe VerfGH 14 (1961) 17–25 [23]; Nds.StGHE 1 (1978) 335–372 [355]; Pukelsheim, aaO. (FN 15), Abschnitt 6.

Anmerkung 19. VerfGH 45 (1992) 54–67 [64]. Balinski/Young, aaO. (FN 1), S. 14, benutzen in ihrer Monographie einleitend die Umschreibung »ideal share« und dann durchgehend die Bezeichnung »quota«. Wir bleiben bei ersterem Begriff und übersetzen ihn mit Idealanspruch, um deutlich zu machen, dass es sich um einen idealen Wert handelt ohne Rücksicht darauf, dass es nur ganze Mandate gibt und keine gebrochenen, und dass daraus ein Anspruch begründet wird, der gegenüber konkurrierenden Ansprüchen zu rechtfertigen ist.

Anmerkung 20. Georg Pólya, »Proportionalwahl und Wahrscheinlichkeitsrechnung« in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 74 (1919), S. 297–322 [310]; »Sur la Représentation proportionnelle en matière électorale« in: Enseignement mathématiques 20 (1919), S. 355–379 [359]; Nachdruck in: George Pólya Collected Papers, Volume IV, Hg. Gian–Carlo Rota, Cambridge, MA 1984, S. 32–56 [36]; Kopfermann, aaO. (FN 1), S. 111. Das Minimum der genannten Abweichungsmaße wird durch die Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten erreicht. Dass diese Methode mit dem Namen von Thomas Hare verbunden wird, darf als bundesdeutsche Kuriosität gelten. Kopfermann, aaO. (FN 1), S. 116, führt die Namensverbindung zurück auf Siegfried Geyerhahn, Das Problem der verhältnismäßigen Vertretung – Ein Versuch einer Lösung, Wiener Staatswissenschaftliche Studien, Band 3, Heft 4, Hg. Edmund Bernatzik / Eugen von Phillippovich, Tübingen 1902, S. 31. In der Tat schlägt Geyerhahn ein Wahlsystem mit doppelter Stimmgebung vor, das den heutigen deutschen Wahlsystemen überraschend ähnlich ist; er diskutiert auch die in solchen Zweistimmensystemen absehbaren Schwierigkeiten wie etwa Überhangmandate. Dagegen verficht Thomas Hare das System der übertragbaren Einzelstimme (single transferable vote). Nach Kopfermann, aaO. (FN 1), S. 64, erwähnt Hare eine Zuteilungsmethode von der hier diskutierten Art, nämlich die Divisormethode mit Abrundung (Hondt), einzig im Anhang seiner Bücher The Machinery of Representation, Second Edition, London 1857, S. 55, sowie The Election of Representatives, Parliamentary and Municipal – A Treatise, Third Edition, with a Preface, Appendix, and other Additions, London 1865, S. 301. Bei der heute gültigen Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) kommt noch eine »Mehrheitsklausel« hinzu, die einer Partei mit absoluter Stimmenmehrheit auch dann die absolute Mandatsmehrheit sichert, wenn die Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten dies nicht schon automatisch leistet. Die Aufnahme einer Mehrheitsklausel und die Wahrnehmung dieser Zuteilungsmethode durch die amtierenden Politiker wurde 1970 von Horst Niemeyer, aaO. (FN 1), S. 61, angestoßen. Die Idee von Mehrheitsklauseln und ihre vielfältige Praxis gehen bis ins vorige Jahrhundert zurück, siehe Emil Klöti, »Die Proportionalwahl in der Schweiz. Geschichte, Darstellung und Kritik« in: Zeitschrift für Schweizerische Statistik 37 (1901), S. 157–310 [276]; auch als Monographie (Separatdruck), Bern 1901. In der bundesdeutschen Wahlgeschichte ist nur kein Fall bekannt, in dem die Mehrheitsklausel zum Einsatz gekommen ist. Die Problematik stellt sich anders dar, wenn es um die Besetzung der Bundestagsausschüsse geht, siehe Hans–Peter Schneider, »Hare contra D'Hondt? Kritische Notizen zur Einführung der mathematischen Proportion bei der Besetzung von Bundestagsausschüssen« in: Zeitschrift für Parlalmentsfragen 1 (1970), S. 442–447. Der Bundestag lässt sich zwar mittels der Quotentmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) wählen; für seine parlamentarische Arbeit hat er aber deren paradoxe Unzulänglichkeiten erkannt und war gut beraten, zur Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) überzuwechseln, siehe Peter Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1983 bis 1991 – Mit Anhang: Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik, Baden–Baden 1994, S. 705.

Anmerkung 21. VerfGH 45 (1992) 54–67 [67].

Anmerkung 22. VerfGH 45 (1992) 12–23 [Abschnitt IV.4.c].

Anmerkung 23. VerfGH 45 (1992) 12–23 [19]. Wiederholt in VerfGH 45 (1992) 54–67 [64]; 46 (1993) 201–205 [204]; 47 (1994) 154–157 [156].

Anmerkung 24. Vgl. VerfGH 45 (1992) 12–23 [22].

Anmerkung 25. Der Verfassungsgerichtshof modifiziert mit der Festhaltethese seine Auffassung aus VerfGH 14 (1961) 17–25 [24], die Divisormethode mit Abrundung (Hondt) sei allein schon mangels jedweder Konkurrenz legitimiert: »Es könnte noch eingewendet werden, daß der Gesetzgeber, wenn schon nicht das Restverteilungsverfahren, so doch jedenfalls ein anderes Berechnungssystem wählen müsse, das dem D'Hondt'schen Verfahren an mathematischer Genauigkeit überlegen sei. Es ist aber nicht ersichtlich, daß – bei beweglichen Wahlquotienten – ein solches exakteres, praktisch durchführbares System, das zu gerechteren Ergebnissen führen würde, vorhanden ist.« Repetiert in VerfGH 46 (1993) 201–205 [203]; kopiert in der meinungsbildenden Presse von Friedrich Karl Fromme, »Regierungsmehrheit heißt nicht Ausschußmehrheit« in: Frankfurter–Allgemeine Zeitung, Nr. 238 vom 14. Oktober 1970, S. 3; zitiert als obiter dictum in BVerfGE 16 (1964) 130–144 [144]; relativiert in BVerfGE 79 (1989) 169–172 [171]; taxiert als »unhaltbar« von Kopfermann, aaO. (FN 1), S. 235.

Anmerkung 26. VerfGH 45 (1992) 12–23 [19], 54–67 [65]; 47 (1994) 154–157 [156], 184–194 [190].

Anmerkung 27. VerfGH 14 (1961) 17–25 [25]; 46 (1993) 201–205 [203].

Anmerkung 28. VerfGH 28 (1975) 222–242 [240]. Siehe auch Hans Herbert von Arnim, »Der strenge und formale Gleichheitssatz« in: Die Öffentliche Verwaltung 37 (1984), S. 85–92.

Anmerkung 29. Insofern sind die selbstbestätigenden Rückverweise in VerfGH 2 (1949) 181–220 [212]; 14 (1961) 17–25 [21] und die dort angegebene Literatur vom Beginn des letzten Jahrhunderts wenig ergiebig.

Anmerkung 30. In VerfGH 47 (1994) 184–194 kommt die Unerlässlichkeitsthese nicht (mehr) vor.

Anmerkung 31. Balinski/Young, aaO. (FN 1), S. 117. Paradoxienfrei sind also die Divisormethode mit Abrundung (Hondt), die Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers), die Divisormethode mit geometrischer Rundung (Hill/Huntington) und die Divisormethode mit harmonischer Rundung (Dean). Vor dem Hintergrund der US–amerikanischen Geschichte sprechen Balinski/Young, aaO., vom new state paradox, population paradox und Alabama paradox.

Anmerkung 32. Dass bei Einhaltung des Idealrahmens die Stimmenzuwachs–Paradoxie nicht vermieden werden kann, belegt ein einfaches Beispiel in Hobart Peyton Young, Equity – In Theory and Practice, Princeton, NJ 1994, S. 61. Balinski/Young, aaO. (FN 1), S. 134, zeigen, dass die Mandatszuwachs–Paradoxie trotz Einhaltung des Idealrahmens vermeidbar ist; allerdings sind die Zuteilungsmethoden, die dies leisten, »rather complicated«.

Anmerkung 33. Erich Röper, »Ausschußsitzverteilung nur unter den stimmberechtigten Mitgliedern« in: Zeitscbrift für Parlamentsfragen 29 (1998), S. 313–316 [315]. Ein gleichwertiges Beispiel lässt sich den »x+2 Ausschüssen« des 12. Deutschen Bundestags 1990–1994 nachempfinden, siehe Schindler, aaO. (FN 20), S. 709. Wir nehmen an, es gibt drei Fraktionen mit 320, 238, 79 Abgeordneten und eine Gruppe von 17 Abgeordneten. Die Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) teilt den drei Fraktionen in einem 37–köpfigen Haushaltsausschuss 18, 14, 5 Sitze zu; gemeinsam haben diese Sitze ein Vertretungsgewicht von 637/37 = 17.2 Abgeordnetenbruchteilen. Es besteht Einverständnis, für die nichtfraktionsfähige Gruppe einen Zusatzsitz zu schaffen. Obwohl mit dem Zusatzsitz 17 Abgeordnete vertreten werden und dies dem Vertretungsgewicht 17.2 der übrigen Sitze gleichkommt, würde die Hare/Niemeyer–Zuteilung aus dem Stärkeverhältnis 320, 238, 79, 17 für die nunmehr 38 Ausschusssitze die Zuteilung 19, 14, 4, 1 errechnen und somit den Transfer eines Sitzes von der drittstärksten zur größten Fraktion bewirken. Tatsächlich benutzt der Bundestag für die Zuteilung von Ausschusssitzen die Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers). Diese ergibt vorher die Sitzzahlen 18, 14, 5 und nachher 18, 14, 5, 1.

Anmerkung 34. Anlage 96 in Erika Simm u. a., Beschlußempfehlung des Wahlprüfungsausschusses zu den gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag eingegangenen Wahleinsprüchen, Drucksache14/1560, Deutscher Bundestag, Berlin 1999, S. 267.

Anmerkung 35. Peter Kunth, »Einige Anmerkungen zu den Hareschen Quotientenverfahren« in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 22 (1991), S. 297–324 [317]. Die Rücksprünge, wann die Ausschussgröße einer Partei einen Sitz wegnimmt, sind im Datenhandbuch des Bundestages deutlich hervorgehoben, siehe Schindler, aaO. (FN 20), S. 705. Sie waren der Grund dafür, dass der Deutsche Bundestag für seine Parlamentsarbeit 1980 zur Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) wechselte.

Anmerkung 36. Gestützt auf Simulationsstudien vertreten Balinski/Young, aaO. (FN 1), S. 81, für die US–amerikanischen Verhältnisse die wesentlich stärkere Aussage, dass die Divisormethode mit Standardrundung (SainteLaguë/Schepers) den Idealrahmen fast nie sprengt, die Divisormethode mit Abrundung (Hondt) fast immer; für die bisherigen historischen Daten wurde der Idealrahmen immer eingehalten. Auch bei den bisherigen vierzehn Bundestagswahlen und den bisherigen vierzehn Bayerischen Landtagswahlen findet sich kein Fall in dem die Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) den Idealrahmen sprengt. Konstruierte Beispiele, dass dies doch vorkommen kann, geben schon Ladislaus von Bortkiewicz, »Ergebnisse verschiedener Verteilungssysteme bei der Verhältniswahl« in: Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung 6 (1919), S. 592–613 [609]; Edward Vermilye Huntington, »The apportionment of representatives in Congress« in: Transactions of the American Mathematical Society 30 (1928), S. 85–110 [95]; Michel Louis Balinski / Hobart Peyton Young, »The quota method of apportionment« in: American Mathematical Monthly 82 (1975), S. 701–730 [724]. Diese Beispiele haben System; es gibt viele kleine Partein die gleich stark sind und deshalb von der auf die Erfolgswertgleichheit ausgerichteten Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) gleich bedacht werden. Angesichts dieser Durchsetzung des Gleichheitsideals bleibt für die einzige große Partei entweder deutlich mehr oder deutlich weniger übrig, als ihr Idealanspruch vorgibt. Dabei ist nicht vorhersehbar, ob die große Partei systematisch bevorzugt oder systematisch benachteiligt wird.

Anmerkung 37. Engl. biased, dt. verzerrt, verfälscht. Engl. unbiased, dt. unverzerrt, unverfälscht. Wir vermeiden den Begriff »Verfälschung«, da er über die Kette falsch–richtig–gerecht–ungerecht zu unpassender Moralität verführt. Die Durchschnittsbildung über die Abweichungen

[(mi / M) / (vi / V)] – 1      bzw.      (vi / mi) – (V / M)

führt zu analogen Begriffen, der »Erfolgswertverzerrung der für die Partei i abgegebenen Wählerstimmen« und der »Vertretungsgewichtsverzerrung der auf die Partei i entfallenden Mandate«.

Anmerkung 38. Wie Pólya, aaO. (FN 8, 20), nehmen wir an, dass die möglichen Stimmenanteile der Parteien alle gleich häufig auftreten; die Fünfprozenthürde bleibt unberücksichtigt, ebenso eine etwaige Mehrheitsklausel. Pólya gibt die theoretischen Mandatsverzerrungen der D'Hondt–Mandatszahlen an für M = 5, 10, 15, 20, ∞ (FN 8), S. 387, 373, sowie die der Hare/Niemeyer–Mandatszahlen für M = 5 (FN 20), S. 319, 373. Er betont, dass für große Wahlkörper sowohl die Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) als auch die Divisormethode mit Standardrundung (Sainte–Laguë/Schepers) unverzerrte Mandatszahlen liefern (FN 8), S. 376; (FN 20), S. 321, 375. Rechnungen verwandter Art werden vorgelegt von Georg Genssler, Das D'Hondtsche und andere Sitzverteilungsverfahren aus mathematischer und verfassungsrechtlicher Sicht, Dissertation, Nürnberg 1984, S. 173, Gerhard Zech, »Benachteiligung kleiner Parteien durch das Bayerische Landeswahlgesetz« in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 23 (1992), S. 362–376. Zu den Schaubildern 5 und 6 siehe auch Norman Richard Draper / Matthias Drton / Friedrich Pukelsheim / Karsten Schuster, Biasedness and unbiasedness of seat apportionments in three party proportional representation systems, Report 423, Institut für Mathematik, Augsburg 2000.

Anmerkung 39. 1966, 1970, 1974, 1978, 1986, 1994, 1998. Dieselbe Übereinstimmung zwischen Theorie und Empirie gilt für die von Pólya, aaO. (FN 8), untersuchten Erneuerungswahlen im Kanton Solothurn 1896–1917.

Anmerkung 40. (1) Als Divisormethode mit Abrundung: VerfGH 2 (1949) 181–220 [201]. (2) Als System von Hagenbach–Bischoff: VerfGH 2 (1949) 181–220 [212]. (3) Als Höchstzahlverfahren zur Teilerfolge 1, 2, 3, ...: VerfGH 14 (1961) 17–25 [21]. (4) Als Rangmaßzahlverfahren: Balinski/Young, aaO. (FN 1), S. 142. (5) Als Divisormethode mit Startdivisor V/(M + l/2): Jules Gfeller, »Du transfer des suffrages et de la répartition des sièges complémentaires« in: Représentation proportionnelle 9 (1890), S. 120–131 [130]; Gregor Dorfleitner / Thomas Klein, »Rounding with multiplier methods: An efficient algorithm and applications in statistics« in: Statistical Papers 40 (1999), S. 143–157 [149].

Anmerkung 41. So wie in VerfGH 47 (1994) 184–194 [192]; Zech, aaO. (FN 38), S. 367.

Anmerkung 42. VerfGH 45 (1992) 12–23, 54–67.

Anmerkung 43. VerfGH 45 (1992) 54–67 [64].

Anmerkung 44. VerfGH 45 (1992) 54–67 [65]. Aus Schaubild 5 liest man ab, dass bei siebenfacher Anwendung der Divisormethode mit Abrundung (Hondt) die kleinste Partei eine theoretische Mandatsverzerrung von 7*(–4/12) = –2.33 Mandatsbruchteilen fürchten muss; die empirische Mandatsverzerrung für die Wahlen 1966–1978 beträgt (–1.57 – 1.89 – 2.88 – 3.08)/4 = –2.36. Vergleiche Genssler, aaO. (FN 38), S. 263, dort aber mit den gültigen – anstelle der zuteilungsberechtigten – Stimmen als Bezugsbasis.

Anmerkung 45. VerfGH 5 (1952) 125–147 [143]. Sperrung im Original.

Anmerkung 46. VerfGH 47 (1994) 184–194 [192]. Vorher schon in VerfGH 45 (1992) 54–67 [64].

Anmerkung 47. Eine Partei mit vierzig Prozent der Stimmen steht anders da, wenn sie die größte ist und die anderen Parteien je dreißig Prozent der Stimmen auf sich vereinigen, oder wenn sie die mittlere ist zwischen einer Partei mit fünfzig Prozent und einer anderen mit zehn Prozent Stimmenanteil.

Anmerkung 48. VerfGH 46 (1993) 201–205 [205], unter Berufung auf den Niedersächsischen Staatsgerichtshof. Dieser formuliert allerdings in Nds.StGHE 1 (1978) 335–372 [355] sorgfältiger: »..., wird das Hare'sche Verfahren dem Erfolgswert der für die kleinen Parteien abgegebenen Stimmen besser gerecht.«

Anmerkung 49. Bortkiewicz, aaO., S. 609: »Es liegt eben im Wesen des Systems [von Sainte–Laguë], daß es, darin dem System [von Hare/Niemeyer] ähnlich, für die kleineren Parteien vorteilhafter ist als das System [D'Hondt].« Karl–Heinz Seifert, Bundeswahlrecht – Wahlrechtsartikel des Grundgesetzes, Bundeswahlgesetz, Bundeswahlordnung und wahlrechtliche Nebengesetze, 3. Aufl. München 1976, S. 8: »Das Haresche System und das System Sainte–Laguë begünstigen eher die kleineren Parteien.« Dieter Nohlen, unter Mitarbeit von Rainer–Olaf Schultze, Wahlsysteme der Welt – Daten und Analysen – Ein Handbuch, München 1978, S. 81: »Im Vergleich zur D'Hondtschen Methode, welche eher die größte Partei begünstigt, bevorteilt das System Niemeyer eher die kleinste Partei.« Arend Lijphart, »Degrees of proportionality of proportional representation formulas« in: Bernard Grofman / Arend Lijphart (Hg.), Electoral Laws and Their Political Consequences, New York 1986, S. 170–179 [171]: »The consensus is that D'Hondt disproportionally favors the larger parties and that the largest remainder formula is more proportional and more favorable to the smaller parties.« Wolfgang Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag – Kommentar zum Bundeswahlgesetz unter Einbeziebung der BundesWahlordnung, der Bundeswahlgeräteverordnung und sonstiger wahlrechtlicher Nebenvorschriften, 6. Aufl. Köln 1998, S. 187: »Dadurch, dass der Anteil der Sitze, welche die Parteien erhalten, annähernd genau dem Anteil der auf sie entfallenden Stimmen entspricht, wird eine auf Bruchteile genau berechnete Übertragung des Stimmenverhältnisses auf das Sitzverhältnis erreicht und – im Vergleich zum D'Hondt'schen Verfahren – eine 'tendenzielle Begünstigung' kleinerer Parteien bewirkt.«

Anmerkung 50. Verfassung des Freistaates Bayern, Artikel 14, Absatz 1. Zur Wechselwirkung zwischen Zuteilungsmethode und der Wahl in abgeschlossenen Wahlkreisen siehe Jochen Abraham Frowein, »Anmerkung zur Entscheidung des Bayerischen VerfGH 28 (1975) 222–242« in: Die Öffentliche Verwaltung 29 (1976), S. 483 – 386; Genssler, aaO. (FN38); Josef Aulehner, »Die Disproportion von Stimmen– und Mandatsanteilen in der Bayerischen Landtagswahl« in: Bayerische Verwaltungsblätter 37 (1991), S. 577 – 584; Schultze/Ender, aaO. (FN 3); Klaus Unterpaul, Die Grundsätze des Landeswahlrechts nach der Bayerischen Verfassung im Lichte der Entwicklung von 1946 bis 1989, Dissertation, Beiträge zum Parlamentarismus, Band 7, Hg. Harry Andreas Kremer, München 1992; Zech, aaO. (FN 38); Enno Boetcher / Reinhard Högner, Landeswahlgesetz, Bezirkswahlordnung, Landeswahlordnung – Handkommentar, 15. Aufl. Neumarkt – Sankt Veit 1994.

Anmerkung 51. Für die landesweiten Stimmenergebnisse ergeben die Divisormethode mit harmonischer Rundung (Dean) und die Divisormethode mit geometrischer Rundung (Hill/Huntington) dieselben Ergebnisse; die Quotenmethode mit Ausgleich nach größten Resten (Hare/Niemeyer) stimmt überein bis auf einen Mandatstransfer in 1990. In den folgenden Rechnungen sind Überhangmandate außer Acht gelassen. Bei der Wahl zum 1. Bayerischen Landtag 1946 hatte jeder Wähler nur eine Stimme und es gab nur fünf Wahlkreise.

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