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Bayerische Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Sitzungsberichte Jahrgang 2001-2003. Beck: München 2004, Seiten 103-144.

Die Wahlsysteme des Nicolaus Cusanus

von Günter Hägele und Friedrich Pukelsheim*

Gesamtsitzung am 24. Oktober 2003


Zusammenfassung
Nicolaus Cusanus (1401-1464) entwarf in seiner Schrift De concordantia catholica (1433/34) ein ausgefeiltes System zur Königswahl, das er später (1451) mit geringen Änderungen auch zur Wahl kirchlicher Amtsträger empfahl. Wir erläutern diese Wahlsysteme und untersuchen, welche funktionalen Auswirkungen sie gehabt hätten, wären sie jemals angewendet worden. In der Heidelberger Edition (1959) der Concordantia catholica wird angemerkt, Cusanus habe sein Königswahlsystem aus Ramon Llulls Ars electionis (1299) exskribiert. Wir kommen zu dem gegenteiligen Schluss, dass Cusanus mit diesem und den daraus abgeleiteten Wahlsystemen einen höchst eigenständigen Vorschlag formulierte, der seinen Zeitgenossen gleichwohl eher als Utopie erschienen sein mag.
Summary
Nicolaus Cusanus (1401-1464), in his tract De concordantia catholica (1433/34), proposed a detailed system for the election of the king which, with slight amendments, he later (1451) also promoted for the election of clerical office holders. We describe these electoral systems and investigate the functional consequences they would have entailed had they ever been used. The 1959 Heidelberg Edition of the Concordantia catholica features an annotation to the effect that Cusanus exscribed his system from Ramon Llull's Ars electionis (1299). We arrive at the contrary conclusion that Cusanus justifiably claimed originality, even though his contemporaries may have viewed the proposal as rather utopian.
Résumé
Nicolaus Cusanus (1401-1464), dans son traité De concordantia catholica (1433/34), proposa un système détaillé pour l'élection du roi qu'il recommanda plus tard (1451), avec de minimes modifications, aussi pour l'élection de dignitaires ecclésiastiques. Nous décrivons ces systèmes électoraux et étudions les conséquences fonctionnelles qu'ils auraient eues s'ils n'avaient jamais été appliqués. Dans l'édition de Heidelberg (1959) on trouve une annotation que Cusanus aurait exscrit son système électoral de l'Ars electionis (1299) de Ramon Llull. Nous en venons à la conclusion contraire que Cusanus formula, avec ses systèmes électoraux, un propos très individuel, qui serait paru plutôt utopique à ses contemporains.
Inhalt
1. Überall ist Mittelalter
    1.1. Die Wahlgrundsätze in Artikel 38 des Grundgesetzes
    1.2. Illiterate Wähler in Neuzeit und Mittelalter
2. Das Königswahlsystem der Concordantia catholica
    2.1. Capitulum XXXVII
        2.1.1. Stimmzettelgestaltung
        2.1.2. Stimmgebung
        2.1.3. Wahlgeräte
        2.1.4. Stimmenauswertung
        2.1.5. Captatio benevolentiae
        2.1.6. Cautela
    2.2. Kallens Anmerkung Quod Nicolaus
    2.3. Llulls Ars electionis
3. Die Funktionsfähigkeit des Königswahlsystems
    3.1. Fiktive Probewahl am Dienstag, 21. Juli 1411
    3.2. Legitimationsstiftende Funktion der Wahl
    3.3. Friedensstiftende Funktion der Wahl
    3.4. Abstimmungssysteme für Sachentscheidungen
4. Wahlsysteme für Kirchenämter
    4.1. Das Salzburger Avisament
    4.2. Der Hildesheimer Erlass
5. Überall ist Mathematik
    5.1. Jean-Charles Chevalier de Borda (1733-1799)
    5.2. Marie Jean Antoine Nicolas Caritat, Marquis de Condorcet (1743-1794)
Literatur


1. Überall ist Mittelalter

Der folgende Bericht bringt zwei Themen zueinander, die zwar nicht direkt Gegensätze bilden, die aber doch so weit auseinander liegen, dass ihre Koinzidenz überrascht. Ein Thema sind Wahlsysteme. Mathematiker konzentrieren sich dabei gern auf die quantitativ-operationalen Vorschriften, nach denen ausgezählte Stimmen in das Endergebnis verrechnet werden. In unseren heutigen Verhältniswahlsystemen nehmen insbesondere die Methoden zur Sitzzuteilung eine so zentrale Stellung ein, dass sie sogar zur Namensgebung dienen: das "System D'Hondt" oder das "System Hare / Niemeyer" etc. Ob das eine oder das andere Wahlsystem den Vorstellungen genügt, die wir an unser politisches Gemeinwesen stellen, ist eine Frage unserer Zeit, unserer Gegenwart.

Das zweite Thema ist ein großer Name der Vergangenheit: Nicolaus Cusanus, Kirchenfürst und Religionsphilosoph. Geboren wurde Nicolaus 1401 in Kues an der Mosel, er starb 1464 in Todi in Umbrien, vom Sohn eines Moselschiffers stieg er auf zum Kardinal an der Kurie von Papst Pius II. (Meuthen, 1992a; Groten, 2002). Die revolutionäre Erfindung des Buchdrucks zeichnete sich gerade erst als Silberstreif am Horizont ab, so dass Werk und Überlieferung des Cusanus noch dominiert werden von Handschriften, die der Zeit gemäß auf lateinisch geschrieben sind. Das ist eine hohe Hürde, zumindest für einen Mathematiker, und zur Koinzidenz von Gegenwart und Vergangenheit bedarf er deshalb eines interdisziplinären Partners. Auf diese Weise fand das gegenwärtige Autorengespann zueinander: F.P. ist Mathematiker mit Fachrichtung Statistik, G.H. ist als Philologe Fachmann für lateinische Hand- und Druckschriften.

1.1. Die Wahlgrundsätze in Artikel 38 des Grundgesetzes

In einem Wahlsystem können die quantitativ-operationalen Vorschriften ganz unterschiedlich ausgestaltet werden je nachdem, was die qualitativ-normativen Vorgaben verlangen. Für die Wahl parlamentarischer Gremien in unserer heutigen Staatsordnung bestimmt Artikel 38 des Grundgesetzes, welche Wahlgrundsätze zu beachten sind: Allgemein und unmittelbar muss eine Wahl sein, frei, gleich und geheim. Fünf Attribute sind eine ganz Hand voll, weshalb vielleicht eine kleine Merkhilfe nützlich sei. Allgemein und ohnmittelbar klingt wie Alpha und Omega; frei, gleich und geheim erinnert an die revolutionäre Trilogie von liberté, egalité und – einer etwas geheimnisvollen – fraternité. Das eine verweist auf biblische Vergangenheit, das andere auf revolutionäre Neuzeit. Nur leider: Der zeitliche Bezug, der da suggeriert wird, stellt die Sache völlig auf den Kopf.

Die Allgemeinheit der Wahl ist es, welche die besondere Errungenschaft der Neuzeit darstellt. Heute wählt jeder: Professoren und Pedelle, Grundeigentümer und Besitzlose, Männer und Frauen. Dem Mittelalter war ein allgemeines Wahlrecht fremd (Schreiner, 2001, S. 88). Früher waren Wahlen auf kleine, feine Kollegien beschränkt. Und wenn doch viele wählten – wie beispielsweise die Bürger der freien Reichsstadt Augsburg –, dann war die Wahl mittelbar und der Durchgriff von unten nach oben von ständischer Hierarchie gefiltert. Dagegen sind die Grundsätze der freien, gleichen und geheimen Wahl nicht erst Errungenschaften der Neuzeit. Die alten Quellen geraten nur allzu leicht in Vergessenheit; aus den Standardkommentaren zum Bundeswahlgesetz (Seifert, 1976; Schreiber, 1998) lassen sie sich genauso wenig entnehmen wie aus zahllosen politikwissenschaftlichen Büchern zum Thema Wahlsysteme.

1.2. Illiterate Wähler in Neuzeit und Mittelalter

Auf eine alte Quelle verweist Hartmut Boockmann in seinem Buch Wissen und Widerstand – Geschichte der deutschen Universität. Noch am Ende des Mittelalters gibt es hochgestellte Analphabeten, berichtet Boockmann (1999, S. 30). Als Belegstelle verweist er auf das große Einstandswerk des Cusanus, De concordantia catholica. Dort sei ein System zur Königswahl entworfen, das eine geheime Wahl mit Stimmzetteln vorsieht. Cusanus bedenke dabei auch die Möglichkeit, dass ein Kurfürst die Stimmzettel nicht selbst zu kennzeichnen vermag, weil er des Lesens unkundig sei; in diesem Fall dürfe er sich seines Sekretärs bedienen. Was genau so in Paragraph 33 unseres geltenden Bundeswahlgesetzes steht: Ein Wähler, der des Lesens unkundig ist, kann sich der Hilfe einer anderen Person bedienen, womit ein weiteres Mal der Hauptsatz Horst Fuhrmanns (1996) bewiesen ist: Überall ist Mittelalter, sogar im Bundeswahlgesetz.

Boockmanns Verweis auf Cusanus war der Ausgangspunkt für unsere Studien (Pukelsheim, 2002). Der detaillierteste Entwurf des Cusanus ist der des schon erwähnten Königswahlsystems der Concordantia catholica; wir beschreiben dieses System in Abschnitt 2 und diskutieren seine Auswirkungen in Abschnitt 3. Spätere Varianten zur Wahl in Kirchenämter haben nicht dasselbe Gewicht, ihre Darstellung in Abschnitt 4 ist deshalb kürzer gehalten. Im abschließenden Abschnitt 5 gehen wir auf die Sprachregelungen in der heutigen Literatur zu Wahlsystemen ein.

2. Das Königswahlsystem der Concordantia catholica

Cusanus verfasste seine Schrift De concordantia catholica – Allumfassende Eintracht auf dem Konzil zu Basel 1433/34 (h; Sigmund, 1995). Er war 33 Jahre alt, ein aufstrebender Jurist im Dienst der Diözese Trier. Die ersten beiden Bücher behandeln die Ekklesiologie und die Konzilstheorie; ursprünglich waren sie als eigenständiges Werk geplant und sollten unter dem Titel Libellus de ecclesiastica concordantia erscheinen. Als auf dem Basler Konzil bekannt wurde, dass Kaiser Sigismund kommen werde – er traf dort dann am 11. Oktober 1433 ein –, fügte Cusanus ein drittes Buch über die Reform des Reiches hinzu (Bauer, 1954; Töpfer, 1965). Er stellte Teile des Textes um und gestaltete so aus dem Libellus die Concordantia catholica. Über den althergebrachten Abgleich von Autoritäten hinaus (Gillmann, 1932) steht der Begriff concordantia bei Cusanus für eine eigene Weltsicht: harmonische Übereinstimmung bei Wahrung der Unterschiede (Senger, 2002).

Schon der Libellus enthielt den Entwurf eines Wahlsystems, dort allerdings gedacht für Wahlen in Kirchenämter. Diese Vorform entwickelte Cusanus zum Königswahlsystem im jetzigen Kapitel 37 von Buch III der Concordantia catholica. Die Edition der Schrift De concordantia catholica erschien 1968 als Band XIV (h) der Opera omnia (Watanabe, 1991), die Teillieferung mit Buch III schon 1959.

Cusanus kannte 1433 bei der Abfassung der Concordantia catholica Königswahlen nicht aus eigener Anschauung. Bei der letzten Wahl am 21. Juli 1411 war er zehn Jahre alt, die nächste sollte erst am 18. März 1438 stattfinden (Müller, 2000, S. 917). Seine vorbereitenden Bemerkungen in Kapitel 36 bauen auf dem auf, was er gelesen (h, n. 533, l. 3) hat: Wie früheren Wahlen durch absurde Machenschaften geschadet wurde, wie die Wähler ihren eigenen Vorteil suchten und wie das Staatswohl vernachlässigt wurde. Damit die Wähler eine lautere Wahl (puritas electionis) treffen, solle das Basler Konzil sie auf eine strikte Wahlordnung (regula) verpflichten.

Die zunächst offene Gruppe der Königswähler hatte sich im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts auf ein geschlossenes Wahlkollegium eingeengt, das Kurfürstenkolleg (Wolf, 2000a, 2000b). Es gab drei geistliche Kurfürsten, die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln, und vier weltliche, die von Böhmen, der Pfalz, Sachsen und Brandenburg. In der Goldenen Bulle wurden die dem Kurfürstenkolleg zugewachsenen Privilegien 1356 sanktioniert (Schubert, 1977, S. 289). Der Terminus collegium ist der zutreffende Rechtsbegriff für eine solch wohldefinierte Gruppe von Wählern (Landau, 2002). Zudem versachlichte sich die Kurstimme in dem Sinn, dass der Träger weniger als Person, sondern mehr als Repräsentant seines Kurfürstentums das Wähleramt wahrnahm (Schubert, 1977, S. 283; Assing, 2002, S. 357).

2.1. Capitulum XXXVII

Kapitel 37 (h, n. 535-541) der Concordantia catholica ist ganz dem Königswahlsystem gewidmet. In unserer Übersetzung haben wir den Text gelegentlich etwas geglättet, um die Lesbarkeit zu erleichtern; englische Übersetzungen bieten McLean / London (1990, S. 105-106; 1992, S. 32-33), McLean / Urken (1995, S. 77-78), Sigmund (1995, S. 303-305). Zunächst erwähnt Cusanus die üblichen Wahlvorbereitungen (Kleinheyer, 1968, S. 3), die Adressaten sind die Kurfürsten (sacri imperii electores). Neu ist, dass zu Beginn der Wahl formal fixiert werden soll, wer die Kandidaten sind.

Bevor am Wahltag die Kurfürsten zur Wahl des künftigen Herrschers schreiten, gehen sie demütig und fromm zur heiligen Messe und reinigen sich von allen Sünden, auf dass in ihrer Mitte Christus der Herr sei und die Gnade des Heiligen Geistes. Nach gebührender Erläuterung des Wahlverfahrens beschließen sie die Liste der Kandidaten, die auf Grund äußerer und innerer Eignung des höchsten Herrscheramts im Reich würdig sind. Damit die Wahl ohne jede Furcht, in voller Freiheit und geheim stattfinde, schwört jeder Wähler auf dem Altar, dass er nach dem rechten Urteil seines freien Gewissens den besten Kandidaten wählen wird (h, n. 535, l. 1-10).

2.1.1. Stimmzettelgestaltung

Die nun folgenden Einzelbestimmungen machen das Originelle am cusanischen Wahlsystem aus. Cusanus zielt auf eine geheime Wahl mit Stimmzetteln (cedulae). Die leichte Verfügbarkeit von Papier war eine Errungenschaft seiner Zeit. Auch bei zeitgenössischen Zunft- und Bürgermeisterwahlen wurden Stimmzettel benutzt (Rogge, 1994, S. 250, 255).

Die Namen der Kandidaten werden von einem Berufsschreiber auf genau gleiche Stimmzettel geschrieben, und zwar jeweils auf einen Zettel nur ein Name. Abgesetzt von den Namen werden die Zahlen Eins, Zwei, Drei eingetragen, bis hoch zur Gesamtzahl derer, die einer Kandidatur würdig befunden wurden. Wenn es beispielsweise im Reich zehn Kandidaten gibt, unter denen durch den gemeinsamen Entscheid der Würdigste gewählt werden soll, werden auf einen jeden Stimmzettel erst einer dieser Namen und dann darunter oder daneben die Zahlen Eins bis Zehn geschrieben. Jeder Wähler erhält zehn Stimmzettel mit den zehn Kandidatennamen (h, n. 535, l. 11-15; n. 536, l. 1-5).

Ein Berufsschreiber (notarius) fertigt einen Schwung Stimmzettel an, wobei er achtgeben soll, dass sie alle gleich aussehen. Auf jedem Zettel steht nur der Name eines einzigen Kandidaten, zusammen mit den Rangzahlen i, ii, iii, ..., x. Die Zahl der Zettel hängt somit ab von der Zahl der Bewerber. Um hier nicht mit einer unbestimmten Variablen arbeiten zu müssen, nimmt Cusanus beispielsweise an, dass zehn Königskandidaten zur Wahl stehen. Jeder Kurfürst erhält also ein Bündel von zehn Stimmzetteln, pro Kandidat einen mit dessen Namen. Die Frage bleibt offen, was Cusanus zu seiner extremen Annahme von zehn Kandidaten veranlasst. Für die Zeitspanne 919-1806 zählt Wolf (1991, S. 45) 55 Könige und "Gegenkönige" und 118 weitere Kandidaten; dies ergibt pro Wahl etwa drei Kandidaten, keine zehn. Auch wenn im Einzelfall nicht immer eindeutig zu entscheiden gewesen sein mag, wer als Kandidat gesehen wurde (oder wer sich selbst als Kandidat sah), so wird man selbst bei einer so umstrittenen Wahl wie der von 1292 maximal von sieben Kandidaten reden können (Wolf, 1993, S. 78).

2.1.2. Stimmgebung

Während Zunft- und Ratsmitglieder ihre Wahlentscheidung alle demselben Schreiber diktierten (Rogge, 1994, S. 250, 255), füllt bei Cusanus jeder Kurfürst seine Stimmzettel selbst aus oder bedient sich einer Person seines Vertrauens (secretarius). Das Neue am Wahlsystem des Cusanus ist, dass die Kurfürsten mittels der Rangzahlen die Kandidaten reihen sollen, und zwar vom schlechtesten hin zum besten.

Nach der Ausgabe der Stimmzettel zieht sich jeder Wähler alleine oder – wenn er nicht lesen kann – zusammen mit seinem Sekretär zurück, breitet die zehn Stimmzettel vor sich aus und geht alle Namen durch. Dann wägt er im Namen Gottes gewissenhaft ab, wer von den Kandidaten der ungeeigneteste ist, und setzt mit dem Tintenstift über die Zahl Eins einen einfachen langen Strich. Daraufhin entscheidet er sich, wer der danach am wenigsten geeignete Kandidat ist, und markiert dort mit einem einfachen langen Strich die Zahl Zwei. So fährt er fort, bis er zu dem nach seinem Urteil besten kommt, und markiert dort die Zahl Zehn oder im allgemeinen Fall diejenige Zahl, die der Kandidatenzahl entspricht (h, n. 536, l. 5-7; n. 537).

Angesichts geheimer Stimmabgabe könnte ungeregelt bleiben, in welcher Reihenfolge ein Wähler die Kandidaten bewertet. Soviel Selbstbestimmung möchte Cusanus seinen Wählern aber nicht überlassen. Stattdessen soll jeder Wähler zuerst den schlechtesten Kandidaten herausfinden und auf dem Stimmzettel mit seinem Namen die niederste Rangzahl markieren, die Eins. Dann soll er sich den zweitschlechtesten Kandidaten überlegen, den Stimmzettel mit seinem Namen hervorsuchen und dort die nächsthöhere Rangzahl markieren, die Zwei. So greift der Kurfürst unter den verbleibenden Kandidaten immer den schlechtesten heraus, um auch die Ränge Drei, Vier, Fünf, Sechs, Sieben, Acht und Neun auszufüllen. Diese Negativauslese sorgt dafür, dass der Wähler bis zum Schluss konzentriert bei der Sache bleibt, denn – last, not least – der letzte muss der Beste sein. Dort markiert der Wähler die höchste Rangzahl, die Zehn. Cusanus will eine Rangzahl nicht durch eine Unterstreichung markiert sehen, die mit zuviel Schwung außer Façon geraten könnte, oder durch ein Kreuz, das gar das Papier zerreißt, oder durch einen Kreis, der verwechselt werden könnte mit einem kurfürstlichen Tintenklecks, sondern durch eine saubere und adrette Überstreichung.

Wohin die Wähler sich zurückziehen, wird nicht gesagt. Sieben fürstliche Wähler dürften raumgreifende Platzansprüche entwickeln, und illiterate Kurfürsten brauchen doppelten Platz, um ihren Sekretär mitzunehmen. Bleiben alle diese Personen in einem Raum, wird es eng und der eine kann sehen, wie der andere stimmt. Verlassen sie den Raum, laufen sie ihrem Hofstaat in die Arme. Die Frage, wie bei alledem Geheimhaltung gewährleistet wird, hat Cusanus wohl nicht bewegt.

2.1.3. Wahlgeräte

Sogar die Länge des Markierungsstrichs liegt Cusanus am Herzen. Die Kurfürsten mögen sie zum Gegenstand ihrer Verhandlungen machen und eine Einigung herbeiführen, rät er. Realistischer dürfte seine Anweisung sein, ihnen dieselbe Tinte und gleichartige Federn zur Verfügung zu stellen. In den Augen des Cusanus sind es diese Geheimhaltungsvorschriften, die die Wähler davor schützen, bedrängt zu werden. Statt Angst kehrt Friede ein.

Die Wähler sollen tunlichst dieselbe Tinte und gleiche Federn benutzen und sich auf gleich lange oder gleich kurze Striche einigen, damit nicht festgestellt werden kann, wessen Handschrift ein Stimmzettel trägt. Dies wahrt größtmögliche Freiheit für die Wähler und Frieden unter allen (h, n. 538).

2.1.4. Stimmenauswertung

Auch bei der Stimmenauswertung bleibt die Besorgnis spürbar, eine Identifizierung der Stimmzettel zu verhindern und Geheimhaltung zu wahren. Es ist nicht einer der Kurfürsten oder einer ihrer Mitarbeiter, der die Stimmen verliest, sondern ein Priester. Im kirchlichen Bereich gab es geheime Wahlen schon seit Jahrhunderten. Sie wurden so durchgeführt, dass einige wenige der Wähler als Wahlvorstände (scrutatores) eingesetzt wurden, um die Stimmen der anderen abzufragen. Von der Verschwiegenheit der Skrutatoren war es abhängig, ob Geheimhaltung gewahrt blieb oder nicht. In der Tradition der Skrutatoren dürfte Cusanus unterstellen, dass der Priester sein Wissen für sich behält, sollte er den einen oder anderen Stimmzettel doch identifizieren.

Wenn die Stimmzettel ausgefüllt sind, bringt jeder Wähler eigenhändig die seinigen vor und wirft sie in einen leeren Sack, der in der Mitte aufgehängt ist. Sind alle Stimmzettel im Sack, holt man den Priester, der die Messe zelebriert hat, sowie einen Komputisten mit seiner Tafel, der darauf die Kandidatennamen auflistet; im Beispiel waren es zehn. Der Priester setzt sich in die Mitte der Wähler und entnimmt dem Sack die Zettel so, wie sie in seine Hände kommen. Dann liest der Priester jeweils einen Namen und die zugehörige markierte Zahl vor und der Komputist schreibt die Zahl hinter diesen Namen auf seine Tafel. Sind alle Stimmzettel erfasst, addiert der Komputist hinter jedem Namen die dort notierten Zahlen zu einer Endsumme. Wer die höchste Endsumme hat, der soll der Herrscher sein (h, n. 539).

Alle Stimmzettel werden in einen Beutel eingeworfen. Mit einem peniblen Sinn für prozedurale Korrektheit sorgt sich Cusanus, dass der Beutel auch tatsächlich leer ist (saccus vacuus). Noch heute ist die erste Amtshandlung eines Wahlvorstands, dass jedes Mitglied ein Auge in die Urne wirft und sich überzeugt, dass sie leer ist; erst dann wird das Wahllokal geöffnet. Der Augsburger Kürschner Georg Mertz versuchte es 1472 anders und schmuggelte schon vor Wahlbeginn sechzehn Wahlzettel in die Wahlhaube, zu seinen Gunsten, versteht sich. Aber bei der Auswertung bemerkten seine aufgeweckten Zunftbrüder den Überschuss. Weil Mertz wieder er und aid verstoßen hatte, war seines Bleibens in Augsburg nicht und er floh nach Bayern (Rogge, 1994, S. 260).

Die Idee des cusanischen Wahlsystems gipfelt darin, für jeden Kandidaten die Rangzahlen aufzuaddieren und auf der Grundlage der so aggregierten Ränge die Wahlentscheidung zu treffen: Die höchste Endsumme gewinnt. Allein schon für diese Idee kann Cusanus Originalität beanspruchen. Vor Cusanus ist uns keine Quelle bekannt, die eine solche Rangsummen-Auswertung formuliert oder auch nur andeutet. Und nach Cusanus dauerte es mehr als dreihundert Jahre, bis Borda 1770 das System wieder entdeckte (vgl. 5.1).

Bei zehn richtig ausgefüllten Stimmzetteln für zehn Kandidaten müsste jeder Wähler also die Zahlen Eins bis Zehn je einmal markiert haben, um seine 1 + 2 + ··· + 10 = 55 Bewertungspunkte genau auszuschöpfen. Cusanus baut darauf, dass es den Kurfürsten nicht in den Sinn kommt, von seinen Anweisungen abzuweichen. Offensichtlich hält er für ausgeschlossen, dass ein Wähler jeden der Kandidaten für den besten hält, zehnmal die Rangzahl Zehn markiert und so sein Stimmgewicht auf 100 Punkte annähernd verdoppelt. Immerhin könnte dieser Wähler jedem denkbaren Wahlsieger ehrlichen Gewissens versichern, ihn gewählt zu haben. Gegebenenfalls wären auch etwaige Bildungsdefizite im numerischen Bereich einzukalkulieren. Wenn ein Wähler sich verzählt und irrtümlich die Rangzahl Zwei doppelt vergibt, so kommt er schon bei Rangzahl Neun mit dem für ihn besten Kandidaten verfrüht zum Ende. Die Kurfürsten müssen also nicht nur lesen und schreiben können, sondern auch zählen.

Während die Anfertigung der Stimmzettel einem Berufsschreiber (notarius) zugewiesen wurde, ruft Cusanus zur Berechnung der Endsummen nach einem Berufsrechner (computista). Offenbar gab es damals eine Asymmetrie der Disziplinen. Ein Berufsschreiber musste nicht unbedingt auch rechnen können, gleichwohl erwartete man von einem Berufsrechner, dass er auch schreiben konnte. Mit computista könnte ein Experte gemeint sein, der sich auch mit Kalenderrechnung beschäftigte (Borst, 1999). Kalenderrechner waren geübt sowohl in der Benutzung arabischer Ziffern als auch im Gebrauch des Dezimalsystems. Da jeder Wähler 55 Rangpunkte zu vergeben hatte, musste der Komputist bei sieben Wählern mit 385 Rangpunkten umgehen.

2.1.5. Captatio benevolentiae

Zum Schluss preist Cusanus noch einmal die Vorzüge seines Wahlsystems (eligendi modus). Ist ihm bewusst, dass es befremdlich wirkt und nur bei sorgsamer Nacharbeit zu verstehen ist? Ermutigend spricht er den Leser an (credas), dass er selbst auch erst nach intensiver Beschäftigung das System entwerfen konnte.

Dieses Verfahren wehrt den zahllosen Betrügereien und lässt keinen Platz für dunkle Machenschaften. Es gibt kein gewissenhafteres, gerechteres, ehrlicheres oder freieres Wahlsystem, das demjenigen zum Sieg verhilft – sofern die Wähler ihrem Gewissen folgen –, der nach dem gemeinsamen Urteil aller der Beste ist. Auch gibt es kein anderes System, das zu diesem unfehlbaren Ergebnis sicherer hinführt. Denn alle Vergleiche zwischen allen Kandidaten sowie alle Gegenüberstellungen und Folgerungen, die jeder der Wähler erwägen kann, fließen in dieses System ein, das ich erst nach intensiver Beschäftigung mit Mühe entworfen habe. Glaube mir, verehrter Leser, dass ein vollkommeneres System nicht entworfen werden kann (h, n. 540).

Unklar bleibt, mit genau welchen Worten Cusanus die Urheberschaft für das Wahlsystem reklamiert. Das Ende des vorletzten Satzes haben wir übersetzt mit:

..., das ich erst nach intensiver Beschäftigung mit Mühe entworfen habe.

Aus den Handschriften, die der Edition zu Grunde liegen (Kallen, 1963), dokumentiert der Herausgeber drei Varianten (h, S. 450, Anm. 9):

(1) ..., quem ego non absque magno studio etiam non potui invenire (h, n. 540, l. 9-10).
(2) ..., quem ego absque magno studio etiam non potui invenire.
(3) ..., quem ego non absque magno studio etiam vix potui invenire.

In ihrer Aussagekraft unterscheiden sich die drei Varianten nur um Nuancen, die durch die Übersetzung nicht überbewertet werden sollten. Kallen entscheidet sich für Variante (1), Honecker (1937b, S. 570) nimmt (2), wir neigen zu (3). Die Stelle war immer schon umkämpft. Kallen zitiert eine Marginalglosse, die das Verständnis eines früheren Lesers erhellt: Hunc modum eligendi cum magno studio dicit se invenisse. – Er will damit sagen, dass er dieses Wahlsystem erst nach intensiver Beschäftigung entworfen habe.

2.1.6. Cautela

Als endgültigen Abschluss fügt Cusanus noch einen Vorbehalt (cautela) hinzu. Er betrifft den Fall, dass ein Kandidat nominiert wird, der aus den Reihen der weltlichen Kurfürsten (ex laicis) kommt. Die Selbstwahl wurde von der Goldenen Bulle ausdrücklich anerkannt; Kurfürstenkandidaturen waren nach 1356 eher die Regel als eine Ausnahme. In einem solchen Fall soll nach dem Willen des Cusanus aus dem Bündel, das der Wähler-Kandidat bekommt, der Stimmzettel mit dessen Namen ausgesondert werden.

Schließlich bedarf es noch eines Vorbehalts, damit keiner der Wähler durch Eigenliebe getäuscht wird. Im Fall, dass einer (oder mehrere) der weltlichen Kurfürsten durch gemeinsamen Beschluss als Kandidat benannt wird, soll ihm der Stimmzettel mit seinem eigenen Namen nicht ausgehändigt werden. Er erhält also zwar alle anderen Stimmzettel, nicht aber den mit seinem eigenen Namen. Dadurch wird jeglichem Verdacht vorgebeugt, er halte sich selbst für den Besten und markiere bei sich die höchste Rangzahl. Mit diesem einzigen Vorbehalt soll die vorstehende Regel in allem befolgt werden. Dann wird die Wahl so zu Stande kommen, wie es besser nicht sein könnte (h, n. 541).

Den im Schlusssatz anklingenden Optimismus teilen wir ganz und gar nicht. Damals wie heute sind Systemkorrekturen ein heikles Unterfangen. Hier ist es nicht anders, der nachgeschobene Vorbehalt kann fatale Folgen haben. Nehmen wir an, Kurfürst Ruprecht von der Pfalz wird von allen seinen Kurfürstenkollegen als der Beste von zehn Kandidaten angesehen. Weil sein eigener Stimmzettel einmal fehlt, erhält er 6·10 = 60 Rangpunkte. Nehmen wir zudem an, dass sich alle sieben Kurfürsten einig sind, wer der Zweitbeste ist. Dieser erhält von allen Wählern, einschließlich Ruprecht, neun Punkte und kommt so auf eine Endsumme von 7·9 = 63 Rangpunkten. Ruprecht verliert und gewählt ist der nur Zweitbeste!

Auch sonst ist der Vorbehalt mangelhaft durchdacht. Zwar bekommt der kandidierende Kurfürst nur neun Stimmzettel, aber alle tragen die Rangzahlen Eins bis Zehn und bieten sie ihm zum Markieren an. Welche soll er auslassen? Ohne die Zehn hält er seine neun Konkurrenten klein, aber sein Stimmgewicht fällt von 55 Gesamtpunkten auf 45. Oder besser ohne die Eins, wenn er sich selbst ohnehin keine Chancen ausrechnet und unter den Mitbewerbern sein Gewicht maximal geltend machen will? Aus der Differenz zu den sonst möglichen 385 Punkten kann der Komputist ausrechnen, wie sich der Wähler-Kandidat verhalten hat. Würden die Stimmzettel, die für ihn bestimmt sind, ihm nur die Rangzahlen Eins bis Neun anbieten, wären seine Stimmen hinterher identifizierbar. Und bei nur einem Gegenkandidaten – das heißt insgesamt zwei Kandidaten statt einer Unmenge von zehn – bekommt er nur den Stimmzettel des Konkurrenten, und es bleibt ihm gar keine Wahl mehr übrig. Im Folgenden werden wir den Vorbehalt beiseite lassen.

2.2. Kallens Anmerkung Quod Nicolaus

Bei einer Bewertung des Wahlsystems des Cusanus stolpert man als erstes über die irritierende Anmerkung Quod Nicolaus, die der Herausgeber Kallen gleich dem ersten Abschnitt (n. 535) von c. XXXVII beigibt:

Quod Nicolaus absque magno studio invenire non potuisse dicit ex RAYMUNDI LULLI De arte electionis tractatu exscriptum esse M. Honecker, Ramon Luls Wahlvorschlag Grundlage des Kaiserwahlplans bei Nikolaus von Cues? Hist. Jahrb. 57 (1937) p. 563 sqq. edocuit. Ipsum Lulli tractatum De arte electionis idem autor e cod. Cusano 83 fol. 47-48 edidit (M. Honecker, Span. Forsch. der Görresgesellschaft 6 [1937] p. 308 sqq.) (h, S. 448).
 
Honecker (1937b) hat dargelegt, dass das, was Cusanus nach eigener Aussage nur nach intensiver Beschäftigung hat entwerfen können, aus RAMON LLULLS Traktat De arte electionis exskribiert ist. Dieser Autor edierte den besagten Traktat des Llull aus Cod. Cus. 83 fol. 47-48 (Honecker, 1937a).

Aus dem exscriptum esse der Anmerkung haben wir in unserer Übersetzung, der Vorlage folgend, ein "exskribiert" gemacht. Es ist die Interpretation dieser Stelle, die den Grad der Irritation bestimmt: Hat Cusanus sein Wahlsystem bei Llull abgeschrieben? Mittlerweile halten wir diese Idee für abwegig.

Unsere erste Reaktion war natürlich eine andere: die erregende Aussicht, unsere heutigen Wahlgrundsätze nicht nur bis ins fünfzehnte, sondern sogar bis ins dreizehnte Jahrhundert zurückverfolgen zu können, und die ernüchternde Einsicht, erst einmal die Wahlschriften des Ramon Llull studieren zu müssen. Letzteres entwickelte sich dann zu einer lohnenden Unternehmung. Im Zuge der Erkundung von Llulls Werken gelang es uns, seinen verschollen geglaubten Traktat Artificium electionis personarum wieder zu entdecken und damit seine bereits bekannten beiden anderen Wahlschriften ins rechte Licht zu rücken. Wir haben diese Arbeiten andernorts beschrieben (Hägele / Pukelsheim, 2001; Drton / Hägele / Haneberg / Pukelsheim / Reif, 2004) und im Internet ausgestellt (www.uni-augsburg.de/llull). Somit ist nun der Rücken frei und wir können uns wieder den Wahlsystemen des Cusanus zuwenden.

Cusanus will eine geheime Wahl, weil sozialer Druck die Wähler korrumpiert. Sein System beruht auf Schriftlichkeit, jeder Wähler füllt die Stimmzettel selber aus. Jeder Wähler muss zu allen Kandidaten Stellung nehmen; Chancengleichheit ist gewahrt. Die Wähler treffen eine differenzierende Wertung, wozu ihnen fortlaufende Rangzahlen zur Verfügung stehen. Der Kandidat mit der höchsten Rangzahlsumme gewinnt die Wahl.

Llull hingegen propagiert in seinem Traktat De arte electionis (Hägele / Pukelsheim 2001, S. 16-20) die offene Wahl, weil soziale Kontrolle der Wahlentscheidung gut tut. Die Stimmen der Wähler werden mündlich abgefragt. Es werden nur einige wenige paarweise Kandidatenvergleiche in Form eines K.-o.-Systems durchgeführt. Diese Vorschrift verzerrt die Chancengleichheit der Kandidaten. Die Wähler fällen jeweils nur eine Ja-Nein-Entscheidung: Wer siegt, kommt weiter. Der letzte Sieger gewinnt die Wahl. Bei diesen schwer wiegenden Unterschieden erscheint uns Kallens Anmerkung, Cusanus habe sein Wahlsystem aus Llulls Traktat exskribiert, schlicht und einfach als ein Fehlurteil.

Kallen beruft sich in seiner Anmerkung auf Honecker. Honecker (1937b, S. 569-574) kommentiert die Wahlsysteme von Llull und Cusanus mit Formulierungen, die missverständlich, wenn nicht gar irreführend klingen (Hägele / Pukelsheim, 2001, S. 30-32). Aber man muss ihm zugute halten, dass er die beiden Systeme nie ausdrücklich gleichsetzt. Er stellt fest, dass einerseits wesentliche Übereinstimmungen bestehen und Cusanus sich wohl vom Llull-Traktat hat anregen lassen, dass andererseits von Llull zu Cusanus noch ein bedeutender Schritt zu machen war. Zudem endet der Titel dieses Aufsatzes in einem deutlich sichtbaren Fragezeichen. Die Formulierung, dass Cusanus sein Wahlsystem aus Llulls Traktat "exskribiert" habe, kommt bei Honecker nicht vor. Watanabe (1963, S. 141) formuliert zurückhaltend und treffend: For an attempt to indicate a link between Nicholas's proposal and another electoral method proposed by Raymond Lull, see Martin Honecker (1937b).

Honecker (1937b) verweist gleich auf der Eingangsseite seines Aufsatzes auf Kallen, der an einer kritischen Textedition arbeite, und zitiert Kallen (1937). Im auffälligen Gegensatz dazu ist Honecker (1937a, 1937b) – und mit ihm auch Llull – befremdlich abwesend aus Kallens Arbeiten (1937, 1940, 1942). Stattdessen wird dort gepredigt, dass Cusanus sich vom romanischen Denken nicht habe blenden lassen (Kallen, 1937, S. 4), dass bei Cusanus die altgermanische Auffassung von der notwendig einhelligen Herrscherwahl die Schlüsselstellung eingenommen habe (Kallen, 1940, S. 74), dass sich die politische Theorie des Cusanus nur im   d e u t s c h e n    Volk habe entfalten können (Kallen, 1942, S. 266) usw. Wie hier der Zeitgeist auf die Wissenschaft wirkte, wissen wir nicht (Lewald, 1973). Die deutsche Universität hat halt ihre Geschichte: Wissen und Widerstand? Von Honecker wird bezeugt, dass er sich gegen heftigste weltanschaulich-politische Widerstände exponiert habe (Müller, 1966, S. 230).

Platzeck (1953, S. 357) beklagt, dass "seinerzeit" die Cusanus-Forschung Llull nicht angemessen zur Kenntnis nahm. Er wünscht sich, dass "in neuerer Zeit" sich das ändern möge, und so ist es ja auch gekommen (Lohr, 1981, S. 228). Folgt man der Stilregel, die Hauptsache im Hauptsatz zu suchen und die Nebensache im Nebensatz, dann haben wir in Quod Nicolaus bisher nur den Nebensatz, die Nebensache ins Auge gefasst. Dann hätte die englische Übersetzung die Nebensache zur Hauptsache gemacht: The proposed electoral system ... is taken from Ramon Llull, De arte electionis, which is in the library at Kues (no. 83) (Sigmund, 1995, p. 305). Die Hauptsache, das sind die Hauptsätze: Honecker edocuit; idem autor edidit. Die Hauptsache ist Kallens Kehrtwende, Honeckers Beiträge nach 22 Jahren endlich anzuerkennen, wobei er mit dem Nebensatz, der Honeckers Beitrag honorieren soll, prompt über das Ziel hinausschießt.

2.3. Llulls Ars electionis

Cusanus brauchte unseres Erachtens keine besondere Anregung, um sich mit Wahlsystemen auseinander zu setzen: Wahlprobleme waren seine raison d'être in Basel. Cusanus war der Rechtsvertreter des Grafen Ulrich von Manderscheid, der bei der Bischofswahl in Trier 1430 nicht zum Zuge gekommen war, aber trotzdem den Wahlsieg beanspruchte (Meuthen, 1964; Watanabe, 1970). Eingaben an die Kurie in Rom waren ohne Erfolg geblieben, nun sollte Cusanus den Ansprüchen seines Mandanten auf dem Konzil zu Recht verhelfen. Die Schrift De concordantia catholica untersucht das Verhältnis von Kurie und Konzil zwar aus höherer Warte, doch auch ganz auf der Linie, die Cusanus für seine Rechtssache verfolgte (Krämer, 1969, S. 145; Meuthen, 1992a S. 40). Bevor Cusanus als Reaktion auf den angekündigten Besuch von Kaiser Sigismund Buch III der Concordantia catholica hinzufügte, hatte er das Königswahlsystem in Form eines Wahlsystems für kirchliche Amtsträger in Buch II platziert. Die Kette vom Trierer Schisma über den Vorentwurf eines klerikalen Wahlsystems hin zum Königswahlsystem erscheint uns so eng verwoben mit dem Lebensweg des Cusanus, dass es weiterer Anregungen wohl kaum bedurft hätte.

Dass gleichwohl in Llulls De arte electionis eine solche zusätzliche Anregung zu sehen ist, verdanken wir den Forschungen Honeckers. Honecker (1937a, S. 291, 306) mutmaßt, dass Cusanus den Llullschen Traktat höchstwahrscheinlich eigenhändig abschrieb, Haubst (1980) konnte ergänzen, dass Cusanus 1428 in Paris war. Ob nun die Abschrift von Cusanus selber oder von einem Lohnschreiber angefertigt wurde, bleibe dahin gestellt. Bekanntlich war Cusanus fasziniert von der Llullschen Philosophie und übernahm gelegentlich Llullsches Vokabular (Platzeck, 1953; Colomer, 1961; Roth, 1999). Dagegen hielt er sich fern von der Llullschen Kombinatorik; ohne diese aber sind Llulls Wahlsysteme nicht zu verstehen (Hägele / Pukelsheim, 2001). Denkbar ist, dass Cusanus die Einzelheiten des Wahlsystem in Llulls De arte electionis gar nicht nachvollzogen hat; wir glauben, dies durch folgende Indizien bestätigen zu können.

Viele der anderen Exzerpte, die Cusanus 1428 in Paris anfertigte, hat er noch einmal durchgearbeitet und mit Randbemerkungen versehen, gegebenenfalls auch mit Korrekturen (Colomer, 1961, S. 60). Nicht so die Ars electionis. Im Gegenteil: Verschreiber, Rasuren und Doppelungen lassen vermuten, dass der Sinn des Geschriebenen dem Schreiber nicht auf Anhieb klar war oder es ihm an Konzentration mangelte. Besonders bemerkenswert sind vier Stellen, wo ein allein stehendes "c" aus der Llullschen Kombinatorik als langes "s" geschrieben ist. Honecker (1937a, S. 308) meinte, dass diese Verschreiber auf eine katalanische Vorlage hindeuten; wir haben diese Hypothese weitergesponnen (Hägele / Pukelsheim, 2001, S. 32). Angeregt durch Wolf (1991, S. 78) halten wir die Alternative einer paläographischen Analyse für vielversprechender. Harald Drös von der Heidelberger Inschriftenkommission machte uns darauf aufmerksam, dass in strenger Textura die kleinen Buchstaben "c" und langes "s" dieselbe Geometrie haben und sich nur in der Oberlänge unterscheiden (Inschriftenkommissionen, 1999, S. 52, 61). Ferdinand Dominguez vom Raimundus-Lullus-Institut in Freiburg im Breisgau gab zu erwägen, dass Teile des Schriftenbestandes in der Kartause von Vauvert aus einem professionellen Scriptorium stammen könnten. Eine denkbare Erklärung wäre somit, dass die Vorlage in strenger Textura verfasst war. Der markanteste Verschreiber in der Abschrift ist "essencia", den der Schreiber aber dann bemerkt und in das richtige "ecclesia" korrigiert. In der Tat sehen die beiden Wörter in strenger Textura ganz ähnlich aus.

Verfolgen wir die paläographische Hypothese weiter, dann hat bei der Llullschen Buchstabenkombinatorik in der Ars electionis der Schreiber den allein stehenden Buchstaben "c" auf Grund gleicher geometrischer Form mit dem Buchstaben "s" verwechselt. Eine solche Verwechslung ist aber nur bei jemandem möglich, der den Inhalt des Textes nicht mitdenkt; der Buchstabe "s" kommt in Llulls kombinatorischem Alphabet nicht vor. Diese Schlussfolgerung würde bestätigen, dass Cusanus – als Schreiber oder als Leser – sich auf die Llullsche Kombinatorik nicht näher eingelassen hat. Dann kann er aber auch das unverstandene Wahlsystem nicht aus der Ars electionis abgeschrieben und in die Concordantia catholica übernommen haben. Sehr wohl wäre aber damit verträglich, dass er sich dazu angeregt fühlte, in intensiver Beschäftigung selber ein schlüssiges Wahlsystem zu entwerfen. Mit der Übernahme der Manderscheidschen Rechtsvertretung mögen solche Überlegungen eine neue Aktualität und erst im Libellus und dann endgültig in der Concordantia catholica ihren Niederschlag gefunden haben.

McLean / London (1990, S. 106; 1992, S. 34) vertreten die andere These, dass Cusanus bei seiner Wertschätzung für Llull die Ars electionis nicht nur abgeschrieben, sondern zudem genau studiert habe. Im Ergebnis habe er Llulls System bewusst zurückgewiesen und sein eigenes entwickelt. Auch diese These läuft darauf hinaus, dass die Eigenständigkeit und Originalität des cusanischen Beitrags deutlich über Llull hinausweist.

Es wäre interessant zu untersuchen, ob sich in den Verfahrensschritten des cusanischen Wahlsystems Ideen abzeichnen, die mit seinem späteren philosophischen Werk parallel laufen. Die Bewertung mit Rangzahlen beruht nur auf Vergleichen und Unterscheiden, nicht auf absoluten Qualitäten; pro Kandidat werden die Rangzahl"messungen" der Wähler vom Komputisten auf einer Tafel notiert; ein ähnliches Vorgehen empfiehlt Cusanus in seiner Schrift über die Experimente mit der Waage (Nagel, 1984, S. 84). Die Negativauslese der Kandidaten hält den Wähler dazu an, sich vom Schlechten hin zum Besseren vorzuarbeiten. Der Aufstieg vom Niedrigeren zum Höheren passt zum Stufenmodell menschlicher Erkenntnis des Neuplatonismus (Eisenkopf, 2003, S. 53). Über die Zahl Zehn, die Cusanus als beispielhafte Kandidatenzahl hernimmt, wird er fast dreißig Jahre später im Globusspiel ausführlich philosophieren (Nicolaus Cusanus, 1999, S. 83-125).

3. Die Funktionsfähigkeit des Königswahlsystems

Das Bundesverfassungsgericht beurteilt ein Wahlsystem nicht nur danach, ob es den fünf Wahlgrundsätzen des Grundgesetzes genügt; auch die Funktionsfähigkeit des zu wählenden Gremiums wird bedacht. Mit diesem Ansatz sollten wir das Königswahlsystem nicht nur beschreiben, sondern auch pragmatisch bewerten, ob es seinen funktionalen Zwecken befriedigend dient. Um eine handfestere Ausgangsposition zu schaffen, haben wir eine fiktive Probewahl veranstaltet.

3.1. Fiktive Probewahl am Dienstag, 21. Juli 1411

Die letzte Königswahl, bevor Cusanus seine Concordantia catholica verfasste, war die vom 21. Juli 1411, auf der Sigismund von Luxemburg zum König gewählt wurde. Wir haben Sigismund neun Namen zur Seite gestellt, um wie bei Cusanus einen Beispielfall von zehn Kandidaten zu betrachten. Wolf (1991) führt aus, dass nur kandidieren konnte, wer über einen Sohnes- oder Tochterstamm von früheren Königen abstammte. Cusanus verweist auf die innere und äußere Eignung der Kandidaten; interpretieren wir innere Eignung als Charakterfestigkeit, dann könnte äußere Eignung einen solchen königlichen Stammbaum verlangen.

Beobachten wir den Erzbischof von Mainz beim Ausfüllen seiner zehn Stimmzettel etwas genauer. Ihm erscheint Gebhard von Staufen als der ungeeigneteste Kandidat; also sucht er dessen Stimmzettel hervor und überstreicht dort die Rangzahl i. Von den verbleibenden neun Namen, die vor ihm liegen, hält er Dittrich den Salier für den nächstschwächsten Kandidaten; auf dessen Zettel überstreicht er die Rangzahl ii. So arbeitet er sich weiter vor, bis nur noch der Stimmzettel von Ernst August von Braunschweig vor ihm liegt. Zufrieden überstreicht er dort die Rangzahl x, denn der ist sein Favorit. Die folgende Tabelle zeigt an, wie die Kurfürsten stimmen.

Stimmgebung. Jeder Kurfürst markiert pro Kandidat eine Rangzahl zwischen Eins und Zehn. Mainz gibt Geb(hard) den niedersten Rang i, Ditt(rich) den zweitniedersten ii. Brandenburg gibt Ern(st August) den zweithöchsten Rang ix, Hei(nrich) den höchsten Rang x.
Rangzahl i ii iii iiii v vi vii viii ix x
Mainz Geb Ditt Fri Sig Bert Chr Hei Arn Job Ern
Trier Hei Job Chr Ditt Ern Sig Fri Geb Arn Bert
Köln Ditt Chr Arn Bert Job Sig Hei Geb Ern Fri
Böhmen Hei Job Ern Arn Bert Sig Chr Ditt Fri Geb
Pfalz Ern Fri Hei Geb Bert Sig Chr Ditt Job Arn
Sachsen Ern Arn Fri Geb Bert Sig Chr Ditt Hei Job
Brandenburg Job Arn Geb Fri Bert Sig Chr Ditt Ern Hei

Die Wahl ist spannend: Jeder Kurfürst favorisiert einen anderen Kandidaten auf dem höchsten Rang x, selbst der zweithöchste Rang ix ist mit fünf verschiedenen Namen besetzt. Aber das wissen die Kurfürsten nicht, denn die Wahl ist ja geheim. Sie müssen warten, bis alle ihre siebzig Stimmzettel einer nach dem anderen verlesen werden. Weil der Priester die Stimmzettel zufällig aus dem Sack zieht, werden die Rangzahlen auch zufällig bekannt. Da wir nicht dabei waren, haben wir sie hier systematisch notiert: Arnulf von Kärnten steht bei Mainz auf Rang viii, bei Trier auf Rang ix, bei Köln auf iii usw. Wenn der Komputist das alles notiert und dann die Endsummen berechnet hat, sieht seine Wachstafel so aus:

Stimmenauswertung. Der Komputist listet die Kandidatennamen auf, notiert dahinter die Rangzahlen und zieht pro Kandidat die Endsumme. Die höchste Endsumme (40) entfällt auf Sigismund, er gewinnt die Wahl.
Kandidat Rangzahlen Sa.
Arnulf von Kärnten 8   9   3   4   10   2   2 38
Berthold von Zähringen 5   10   4   5   5   5   5 39
Christian von Schwaben 6   3   2   7   7   7   7 39
Dittrich der Salier 2   4   1   8   8   8   8 39
Ernst August von Braunschweig 10   5   9   3   1   1   9 38
Friedrich Rotbart 3   7   10   9   2   3   4 38
Gebhard von Staufen 1   8   8   10   4   4   3 38
Heinrich Raspe 7   1   7   1   3   9   10 38
Jobst von Mähren 9   2   5   2   9   10   1 38
Sigismund von Luxemburg 4   6   6   6   6   6   6 40

Von den zehn Kandidaten erzielt genau einer die höchste Endsumme 40, Sigismund von Luxemburg; er ist damit zum König gewählt. Drei der geschlagenen Kandidaten haben Endsumme 39, die übrigen sechs Endsumme 38. Wir hätten das Beispiel auch so einrichten können, dass die höchste Endsumme nicht nur einmal, sondern mehrfach auftritt. Eine Regelung, wie bei Gleichständen zu verfahren sei, gibt Cusanus nicht an.

3.2. Legitimationsstiftende Funktion der Wahl

Hauptzweck der Kur ist, den König zu küren. Versieht das Wahlsystem des Cusanus den Sieger mit hinreichender Legitimation? Im Beispiel gewinnt Sigismund, doch die Mitbewerber sind ihm dicht auf den Fersen. Sigismund ist ein Konsenskandidat: Zwar platziert Mainz ihn in der schlechteren Hälfte und gibt ihm Rangzahl iiii; aber für die anderen sechs Kurfürsten gehört er mit Rangzahl vi gerade eben zur besseren Hälfte. Dies Mittelmaß reicht zum Sieg. Ob die sieben Kurfürsten es allerdings hinnehmen, dass nur ein einziger Differenzpunkt die Wahl entscheidet? Wenn sie anfangen zu diskutieren, stellen sie erstaunt fest, dass keiner von ihnen sich für Sigismund stark gemacht hat. Mehr noch: Keiner von ihnen sieht Sigismund auch nur unter den besten vier. Oder andersherum: Jeder von ihnen kann vier Kandidaten benennen, die er lieber zum König hätte, Mainz sogar sechs. Wäre Sigismund nach dem System des Cusanus gewählt worden, hätte er wohl in seiner Amtszeit mit noch mehr Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt als ohnehin schon (Bucher, 1959).

Im System des Cusanus wird der Sieger nie mit einem respektheischenden Vorsprung gewinnen. Das beste Ergebnis, das Sigismund erreichen kann, sind 70 Rangpunkte. Der Abstand zu seinen Mitbewerbern wäre dann am größten, wenn die verbleibenden 315 kurfürstlichen Bewertungspunkte sich auf die neun Mitbewerber gleichmäßig verteilen, jeder der Mitbewerber also 35 Rangpunkte angesammelt hätte. Dies müsste zwar als ein sensationeller Sieg gesehen werden, aber das Wahlergebnis "Endsumme 70 für Sigismund, 35 für die anderen" lässt die Sensation kaum spürbar werden. Setzen alle Kurfürsten denselben Mitbewerber auf den zweitbesten Rang ix, so erzielt dieser 63 Gesamtpunkte. Auch hier ist es so, dass der Vergleich der Endsumme 70 und der Endsumme 63 numerisch gering ausfällt, aber praktisch schwer wiegt. Nun sind 70 Gesamtpunkte für Sigismund ein ermutigender Extremfall: Sie lassen erkennen, dass alle Kurfürsten ihn für den Besten halten. Bei weniger als 70 Endpunkten ist diese für ihn so günstige Interpretation nicht mehr möglich und es beginnen die Spekulationen, wer ihn unterstützt haben könnte und wer nicht.

3.3. Friedensstiftende Funktion der Wahl

Cusanus will mit seinem Wahlsystem nicht nur den König küren, das System soll auch Frieden stiften. Aus eben diesem Grund pocht er auf geheime Stimmabgabe. Für den kirchlichen Bereich, für den er ja sein Wahlsystem ursprünglich gedacht hatte, können wir diese Erwartung nachvollziehen; nach dem Wahlakt kehren die Wähler in die Geborgenheit der kirchlichen Hierarchie zurück. Anders im weltlichen Bereich. Die Kurfürsten kamen als Repräsentanten ihres Kurfürstentums mit großem Gefolge nach Frankfurt. Zum Teil hatten sie so viele Hofleute dabei, dass es der Reichsstadt Frankfurt zu teuer wurde und sie nicht alle in ihre Mauern hineinließ (Gotthard, 1999, S. 496). Würde der Fürst den Geheimhaltungsvorschriften des Cusanus Folge leisten, könnten seine Anhänger und Landeskinder nur spekulieren, ob er auf der Seite des Siegers stand oder abseits und später zur Mehrheit hinzugestoßen ist. Dies Art der Politik wäre den Protagonisten wohl wenig gewinnend erschienen.

Der Grundsatz der geheimen Wahl wäre unseres Erachtens auch nicht vereinbar gewesen mit dem auch damals gültigen Grundsatz der freien Wahl. Im weltlichen Bereich bedeutete freie Wahl zweierlei. Erstens waren die Kurfürsten frei in ihrer Entscheidung, welche Kandidaten sie zur Wahl zulassen wollten, solange nur königliches Blut in deren Adern floss (Wolf, 1991). Zweitens bedeutete Freiheit der Wahl das, was wir heute darunter verstehen: Jeder Wähler kann selbstbestimmt seine Entscheidung treffen und ist nicht Drohungen noch Pressionen ausgesetzt. Für uns Heutige ist eine freie Wahl nur möglich, wenn sie auch geheim ist. Die Kurfürsten mögen das anders gesehen haben; traditionsgemäß war die Stimmabgabe ein Akt politischer Willenserklärung mit einem hohen Grad an Außenwirkung (Reuling, 1979, S. 32). Eine geheime Wahl hätte den Kurfürsten diese Freiheit zur Gestaltung ihrer Politik genommen.

Die freie Selbstbestimmung der kurfürstlichen Wahlentscheidung wurde nach außen sichtbar, indem die Wähler mit den Kandidaten in Verhandlungen treten konnten. Geboten wurden Geld, Heiraten, Ämter, Land; 1519 kostete Karl V. seine Wahl 851 918 Gulden, ausweislich der Kontobücher des Bankiers Jakob Fugger in Augsburg (Gotthard, 1999, S. 503). Die Politik des Gebens und Nehmens war das, was fürstliche Wahlfreiheit ausmachte; im klerikalen Bereich war es kaum anders (Schraut, 2001, S. 131). Die friedensstiftende Wirkung der Wahl ging eben nicht nur vom eigentlichen Wahlakt aus, sondern auch von den Abreden und Wahlversprechen im Vorfeld (Schubert, 1977, S. 316; Wolf, 1987, S. 277). Eine geheime Wahl, wie Cusanus sie wollte, musste den Kurfürsten als eine revolutionäre Utopie erscheinen, die sie ihrer Handlungsfreiheit beraubt hätte. Königswahlen hätten nicht dazu dienen können, einen friedensstiftenden Interessensausgleich immer wieder neu zu besiegeln. Der Friede wäre nicht sicherer, sondern unsicherer geworden.

Es ging aber nicht nur um Geld und Gut und Machtinteressen. Konsens war immer auch ein hoher Wert für sich (Schubert, 1977, S. 298; Meuthen, 1983, S. 18; Senger, 2002, S. 26; Watanabe, 2002, S. 52). Einen seltenen Einblick in die Konsensfindung gestattet die Wahl im Jahr 1619. Der Gesandte des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz gab zuerst ein Votum für Maximilian von Bayern ab. Als aber dann alle anderen ohne Wenn und Aber für Ferdinand (II.) von Habsburg stimmten, schwenkte er um, weil er sich von der Mehrheit nicht absondern wollte (Gotthard, 1999, S. 514). Zwar liegt es im Wesen der Stimmabgabe, dass sie nicht formlos sein kann, aber was den genauen Ablauf der Stimmabgabe im Kurfürstenkolleg angeht, sind die Quellen äußerst rar (Schlesinger, 1956, S. 358). Umso höher ist der Erfindungsreichtum und die Gestaltungskraft des Cusanus zu werten, die in seinem Königswahlsystem zutage treten.

3.4. Abstimmungssysteme für Sachentscheidungen

In Kapitel 38 der Concordantia catholica, das auf das Königswahlsystem folgt, bringt Cusanus ein Abstimmungssystem für Sachentscheidungen zur Sprache. Alle Entscheidungsoptionen sollen auf einen einzigen Stimmzettel geschrieben werden (h, n. 546). Nun wird der Wähler zu einer Positivauslese ermuntert, er soll für sich eine Entscheidung treffen und jede andere Alternative mit Stift und Tinte durch eine dicke Linie (linea grossa) ausstreichen (h, n. 547). Die Stimmzettel werden wieder in einen Sack geworfen und hernach ausgezählt. Die Option mit den meisten Stimmen gilt als angenommen; bei Sachentscheidungen reicht also die einfache Mehrheit. Auch hier soll die geheime Abstimmung die Teilnehmer vor Pressionen schützen.

Außerdem erwähnt Cusanus noch die venezianische Form der Kugelung (h, n. 550), um über Annahme oder Ablehnung einer Vorlage zu entscheiden. Der Wähler nimmt eine Kugel in seine geschlossene Faust; er steckt die Faust erst in einen schwarzen Kasten und danach in einen weißen Kasten. In einem der beiden Kästen lässt er die Kugel zurück, im weißen, wenn er für die Vorlage ist, im schwarzen, wenn er dagegen ist (Lines, 1986).

4. Wahlsysteme für Kirchenämter

Die weiteren Wahlsysteme des Cusanus sind für Wahlen in Kirchenämter gedacht. Sie hängen mit dem Königswahlsystem über dessen Vorform zusammen, die Cusanus ursprünglich für den Libellus entworfen hatte. Da diese Vorform sein ältester Entwurf für Kirchenwahlen ist, seien einige Besonderheiten kommentiert. Schon der Eingangssatz über den allgemeinen Zweck einer Wahl ist bemerkenswert:

In electionibus ad hoc laboratur, ut plurimorum iudicio melior perficiatur, et ad finem huius variae formae sunt inventae (h, n. 245a).

Durch Wahlen soll erreicht werden, dass mittels Mehrheitsentscheidung der Beste an die Spitze gestellt wird, und zu diesem Zweck sind verschiedene Verfahren entworfen worden.

Cusanus verweist auf andere Wahlsysteme, sagt aber leider nicht, welche er meint. Wichtiger erscheint uns die Eröffnung, dass sein Wahlsystem der Entscheidung der Mehrheit Ausdruck gibt. Auch bei den klerikalen Wahlsystemen werden die Kandidaten mit Rangzahlen bewertet; die Entscheidung der Mehrheit kommt für Cusanus also nicht durch naives Abzählen zu Stande, sondern durch qualifiziertes Abwägen. Meuthen (1983, S. 18; 1992b, S. 6) und Sigmund (1998, S. 201) betonen, dass Cusanus nicht auf nackte numerositas aus ist und "Mehrheit" nicht nur numerisch versteht.

Wie beim Abstimmungssystem über Sachentscheidungen erhalten die kirchlichen Wähler nur einen einzigen Stimmzettel, auf dem die Namen aller Kandidaten notiert sind. Die Wähler sollen sich wieder in Form einer Negativauslese vorarbeiten und zuerst beim ungeeignetesten Kandidaten deutlich sichtbar einen Punkt (unum punctum satis visibilem) markieren, dann beim zweitschlechtesten zwei und so fort. Dass unus punctus zur Markierung benutzt wird, empfiehlt auch Llull in seinem Traktat Artificium electionis personarum (Hägele / Pukelsheim, 2001, S. 23), den Cusanus wohl nicht kannte; aber schon die Römer gingen bei ihren Wahlen so vor (Staveley, 1972, S. 158, 175).

Im Königswahlsystem schweigt Cusanus dazu, was bei Gleichständen passieren soll. Im Kirchenwahlsystem schlägt er in Übereinstimmung mit dem kanonischen Recht vor, bei einem Gleichstand mehrerer Kandidaten den ältesten zu bevorzugen. Ob er der Meinung war, dass tugendhafte klerikale Kandidaten sich weniger unterscheiden und Gleichstände eher auftreten? Der leidige Vorbehalt, über den wir in Abschnitt 2.2.5 lamentiert haben, kommt hier nicht vor. Offen bleibt für uns die Frage, warum Cusanus im Königswahlsystem ein Bündel von Stimmzetteln mit je einem Kandidatennamen benutzt, in der Vorform (und im Salzburger Avisament und Hildesheimer Erlass) nur einen einzigen Stimmzettel mit allen Namen.

4.1. Das Salzburger Avisament

Meuthen (1992b) verdanken wir den Hinweis, dass Cusanus achtzehn Jahre nach dem Basler Konzil während seiner deutschen Legationsreise 1451 das Thema Wahlsysteme wieder aufgreift. Eine Version findet sich in Form eines in Salzburg verwahrten Avisaments (Meuthen, 1996, Nr. 1001). In ganz eigenartiger Weise entwirft Cusanus hier eine Art Wahl auf Vorrat (Meuthen, 1992b, S. 8) für ein zur Zeit der Wahl noch besetztes Kirchenamt.

Bei der Auflösung von Gleichständen beruft sich Cusanus jetzt nicht mehr nur auf Anciennität (Meuthen, 1996, Nr. 1001, l. 49-52). Bei Stimmengleichheit soll einem Mitglied des betreffenden Kapitels der Vorzug vor einem Mitglied des Diözesanverbandes gegeben werden, diesem wiederum der Vorzug vor einem Mitglied der Kirchenprovinz. Bei Stimmengleichheit zweier Mitglieder aus dem Kapitel (oder aus der Diözese oder aus der Kirchenprovinz) genießt der Ältere den Vorzug. Aber, meint Cusanus, eine Stimmengleichheit wird nie oder doch nur höchst selten vorkommen.

Die ausgefüllten Stimmzettel bleiben so lange unter Verschluss, bis der Amtsinhaber stirbt, erst bei Vakanz werden sie geöffnet und ausgewertet. Zum Nachfolger ist derjenige gewählt, der aus der Wahl an erster Stelle hervorgeht. Sollte der in der Zwischenzeit verstorben sein, kommt der Zweitplatzierte als Sieger zum Zuge. Cusanus macht hier davon Gebrauch, dass bei seinen Wahlsystemen unter den Kandidaten nicht nur der Beste gekürt wird, sondern in der Tat alle Kandidaten in eine Rangreihenfolge gebracht werden. Für das Königswahlsystem ist diese so erhaltene Reihung aller Kandidaten eigentlich zuviel des Guten; dort wird nur ein Sieger gesucht. Bei der hier skizzierten Vorratswahl kann Cusanus jedoch von dieser Reihung profitieren.

Bei der Vorratswahl können Stimmabgabe und Stimmenauswertung zeitlich weit auseinander fallen. Cusanus befürchtet, dass dadurch die Aufrichtigkeit der Wähler Schaden nehmen könnte. Wir würden zusätzlich zu Bedenken geben, dass zum Zeitpunkt der Auswertung ein Wähler verstorben sein könnte oder exkommuniziert wurde oder sonstwie dem Wahlkollegium abhanden gekommen ist. Um das zeitliche Auseinanderfallen von Stimmabgabe und Stimmenauswertung zu bewältigen, begibt sich Cusanus auf einen – wie wir finden: unsicheren – Balanceakt, der ansatzweise unsere heutige Briefwahl vorwegnimmt. Die Wähler sollen zwar ihre Stimmzettel mit einer Unterschrift versehen, trotzdem soll aber bei der Auswertung Geheimhaltung gewahrt bleiben (Meuthen, 1996, Nr. 1001, l. 39-45). Damit bringt Cusanus dreierlei zusammen: soziale Kontrolle als ein Argument für eine offene Wahl, was Llull in seiner Ars electionis vorbringt; Skrutatoren als Geheimnis wahrende Wahlvorstände, wie das kirchliche Wahlrecht sie kennt; Saniorität als Grundsatz, dass die Wertigkeit der Stimmen abhängt von der Wertigkeit des Wählers.

Der Grundsatz des gesünderen Teils (sanior pars) verlangt nach einer höheren Instanz, die über den Wählern steht und am Ende der Wahl die sich einstellende Mehrheit und Minderheit nach übergeordneten Gesichtspunkten berichtigen kann (Schimmelpfennig, 1980, 1990; Hägele / Pukelsheim, 2001, S. 29; Schreiner, 2001, S. 94). Auch im weltlichen Bereich konnten Wahlergebnisse durch den Eingriff höherer Instanzen abgeändert werden. So wurde der Augsburger Zimmermann Marx Neumüller 1502 nach seiner Wahl in den Rat aus diesem wider haim geschickt, weil er mit seinen politischen Ansichten der Mehrheit nicht passte (Rogge, 1994, S. 263). Zwar war jeder Bürger Mitglied einer Zunft und durfte dort wählen; mit den Zünften war die Wählerschaft in nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten eingerichtete Wahlkreise unterteilt (Geffcken, 1998). Aber auf dem Weg von den Zwölferräten der Zünfte über den Großen Rat bis in den Kleinen Rat war genügend Gelegenheit, in Wahlergebnisse einzugreifen. Auf solche Art sicherte sich die hierarchisch gegliederte Gesellschaft ein hohes Maß an personeller Kontinuität (Rogge, 1994, S. 275). Der Anspruch höherer Ebenen, Wahlentscheidungen unterer Ebenen korrigieren zu dürfen, bestand also sowohl im weltlichen wie auch im kirchlichen Bereich.

Saniorität als korrigierender Eingriff von oben funktioniert dann nicht mehr, wenn man sich schon auf der höchsten Ebene befindet. So kommt der Grundsatz bei Cusanus für die Wahl des Königs durch das Kurfürstenkolleg nicht vor (Watanabe, 1963, S. 156). Ebenso ist er nicht anwendbar auf die Wahl des Papstes durch das Kardinalskolleg. Es bleibt aber noch die Möglichkeit, dass im Wahlkolleg selber der eine Wähler mehr Stimmgewicht beansprucht als der andere, sozusagen eine "interne" Saniorität. Bei der Königswahl wird man spätestens nach der Einrichtung des Kurfürstenkollegs und dem Erlass der Goldenen Bulle davon nicht mehr sprechen können. Die Kurfürsten sind hinsichtlich ihres staatspolitischen Rangs hinreichend gleich, dass ihre Stimmen im Wahlkolleg als ganz gleich gelten können (Helmrath, 2001, S. 153). Leider geben die Quellen keine Auskunft, ob diese Sicht auch der Praxis entsprach; jedenfalls hätte die geheime Wahl, die Cusanus so sehr am Herzen liegt, diese Gleichgewichtigkeit der Stimmen wahltechnisch umgesetzt. Bei der Papstwahl ist die Quellenlage etwas ergiebiger: Es brauchte Zeit, bis sich die Gleichgewichtigkeit der Stimmen im Kardinalskolleg durchsetzte (Fuhrmann, 1987, S. 135-150; Colomer/McLean, 1998, S. 8).

4.2. Der Hildesheimer Erlass

Meuthen (1992b, S. 9) mutmaßt, dass Cusanus kurz nach dem Salzburger Avisament einen heute in Hildesheim aufbewahrten Erlass formulierte (Meuthen, 1996, Nr. 1002). Hier geht Cusanus von einer Negativauslese ab und empfiehlt stattdessen eine Positivauslese. Er hat wohl keine Bedenken, der Spannungsbogen, der bei einer Negativauslese beim Vordringen zum Besten hin ansteigt, könne bei einer Positivauslese so früh abfallen, dass ein Wähler den genauen Bewertungen jenseits des dritt- oder viertbesten Kandidaten keine große Aufmerksamkeit mehr schenkt. Anders als beim Königswahlsystem enthält ein einziger Stimmzettel wieder alle Kandidatennamen auf einmal. Die Wähler bekommen den Stimmzettel am Vorabend ausgehändigt, damit sie über Nacht ihre Entscheidungen sich gut überlegen. Cusanus räumt den Wählern sogar die Möglichkeit ein, sich bei anderen Leuten zu erkundigen, sollten sie die Verhältnisse irgendwelcher Kandidaten nicht genau genug kennen. Am Morgen, wenn sie wieder zusammenkommen, werfen sie die ausgefüllten Stimmzettel in einen leeren Sack am Eingang des Kapitelsaals. Auch bei den Ratswahlen in Augsburg wurden die Stimmzettel, nachdem die Wähler sie in einem Nebenraum – gegebenenfalls mit Hilfe eines Stadtschreibers – ausgefüllt hatten, bei der Rückkehr in die Ratsstube am Eingang in einer hauben eingesammelt (Rogge, 1994, S. 255).

Die Wähler kennzeichnen hier ihre Rangzahlen durch eine ebensolche Zahl von Punkten, die sie hinter den Kandidatennamen notieren. Die Punkteauswertung erfolgt nun durch einen Schreiber (scriba) mit einer Rechentafel (tabula calculatoria); er listet die Namen der Kandidaten auf und legt dahinter so viele Zählsteine oder Rechenpfennige (calculos sive numerales denarios), wie Punkte markiert sind (Meuthen, 1996, Nr. 1002, l. 36-39). Wie schon gesagt, hat bei zehn Kandidaten jeder Wähler 55 Rangpunkte zu vergeben; bei zwanzig Wählern sammeln sich auf der Rechentafel des Schreibers dann 1100 Zählsteine an. Wenn ihm die nicht durcheinander geraten, so braucht er die Rechensteine am Schluss nur auszuzählen, um für jeden Kandidaten zur Endsumme zu erhalten. Vom Komputisten des Königswahlsystems werden höhere Fertigkeiten verlangt: Er soll die aufgeschriebenen Rangzahlen addieren, muss also nicht nur zählen, sondern sogar rechnen können.

5. Überall ist Mathematik

Am ähnlichsten sind die Wahlsysteme von Llull und Cusanus sich in ihrem Schicksal, einer soliden Vergessenheit anheim gefallen zu sein. Zur Zeit der Französischen Revolution wurden sie von Borda und Condorcet "neu" entdeckt; erst diese Wiederauferstehung verschaffte den Systemen einen dauerhaften Platz im Gedächtnis der Wissenschaft. Das Wahlsystem des Cusanus wird heutzutage als System Borda zitiert, das des Llull als System Condorcet. Erst in allerjüngster Zeit wird dank der Arbeiten von Iain McLean und Erich Meuthen wahrgenommen, dass die Ursprünge dieser Systeme bis ins fünfzehnte und sogar dreizehnte Jahrhundert zurückreichen (McLean / London, 1990, 1992; Meuthen, 1992b; McLean / Urken, 1995).

5.1. Jean-Charles Chevalier de Borda (1733-1799)

Borda (1770, S. 659) nennt sein System eine "Wahl durch Rangordnung" (élection par ordre de mérite). Jeder Wähler soll die Namen der Kandidaten auf einen Stimmzettel schreiben, und zwar zuoberst den seiner Meinung nach besten, darunter den seiner Meinung nach zweitbesten usw. Zur Auswertung bekommt der an letzte Stelle gesetzte Kandidat dann a Punkte; dies ist als ein Startniveau zu sehen. Beim Übergang vom letzten zum vorletzten und dann vom vorletzten zum vorvorletzten usw. gehen nur noch die aus den paarweisen Vergleichen resultierenden Zuwächse ein. Da die Stimmzettel keine Information über eine unterschiedliche Gewichtung solcher Vergleiche enthalten, rechnet Borda pro Vergleich mit einem konstanten Zuwachs von b degrés de supériorité. Insgesamt gibt Borda einem Kandidaten für eine Nennung auf dem letzten Platz a Rangpunkte (degrés de mérite), auf dem vorletzten a + b, auf dem drittletzten a + 2b usw.

Zur Endauswertung werden schließlich für jeden Kandidaten dessen Rangpunkte zusammengezählt. Da der Vergleich der Endsummen nicht von den speziellen Werten von a und b abhängt, setzt Borda (1770, S. 660) der Einfachheit halber a = 1 und b = 1. Somit erhält der letztgesetzte Kandidat einen Rangpunkt, der zweitletzte zwei, der drittletzte drei usw. Dies ist dieselbe Bewertung, die Cusanus in seinem Königswahlsystem vornimmt.

Der Charakter der Rangpunkte ist leichter zu interpretieren, wenn man a = 0 und b = 1 setzt. Die Punkteausbeute ist dann: 0 für einen letzten Platz, 1 für einen vorletzten, 2 für einen drittletzten usw. Bei dem drittletzten Platz fallen die dafür vorgesehenen zwei Punkte zusammen mit der Zahl der Konkurrenten, gegen die ein Drittletzter in einer Abfolge von paarweisen Vergleichen siegen würde, nämlich gegen den vorletzten und gegen den letzten. In Verallgemeinerung davon erkennt man, dass die Rangsumme eines Kandidaten durch die Summe der Stimmen bestimmt wird, die der Kandidat im Verlauf eines vollständigen Durchlaufs durch alle paarweisen Vergleiche auf sich vereinigen würde (Borda, 1770, S. 663).

Inwieweit Borda sich dauerhaft für dieses Thema interessierte, ist leider nicht überliefert. Seine wahre Liebe galt Ingenieursanwendungen. Er war einer der Wissenschaftler, die mit der Vermessung des Längengrades von Dünkirchen nach Barcelona die Voraussetzung dafür schufen, das revolutionäre Längenmaß "Meter" einzuführen; der Name mètre geht auf Borda zurück (Mascart, 1919, S. 518; Aubert, 2000, S. 54). Obwohl angesichts dieser und anderer Aktivitäten Borda seiner Zeit wichtig war, ist kein Bildnis von ihm auf uns gekommen (Burguburu, 1937).

Bordas Biograph bezeichnet das Wahlsystem als absolument nouveau (Mascart, 1919, S. 130). Da Borda Mitglied der Académie royale des sciences war, standen für die Veröffentlichung seines Wahlsystems die Mémoires der Gesellschaft zur Verfügung. Traditionsgemäß wurde die Note zeitgleich in der Histoire angekündigt; schon dort wurden Bordas Ausführungen als absolument nouvelles gelobt (Condorcet, 1784, S. 34).

5.2. Marie Jean Antoine Nicolas Caritat, Marquis de Condorcet (1743-1794)

Die Ankündigung von Bordas Mémoires-Note in der Histoire wurde von Condorcet in seiner Funktion als secrétaire perpetuel der Akademie verfasst; die Manuskriptseiten der Ankündigung – von Condorcets Hand – liegen im Institut de France. Von daher ist bemerkenswert, dass Condorcet seinem Essay (1785, S. clxxix) eine Fußnote anfügt, er habe von Bordas Methode vor der Drucklegung seines eigenen Werkes nichts gewusst (Bru / Crépel, 1994, S. 356; McLean / Urken, 1995, S. 26).

Das Ziel von Condorcets Essay (1785) geht weit über das Thema Wahlen hinaus. Condorcet will zeigen, dass die Mathematik mit der Wahrscheinlichkeitstheorie Hilfsmittel bereitstellt, um die Entscheidungsfindung bei sozialwissenschaftlichen und politischen Prozessen zu quantifizieren (Granger, 1956). Wahlen dienen Condorcet nur als ein Beispiel für seine Theorie; die anderen Beispiele betreffen die Entscheidungsfindung in Ausschüssen, bei Strafverfahren und in Parlamenten. Es ist Condorcet wichtig, dass in den Vorberatungen zur Wahl fixiert wird, wer kandidiert; in einem Beispiel geht er von zehn Kandidaten aus (1785, S. clxviii, 288, 290).

Condorcet erläutert seine Überlegungen anhand zahlreicher Spezialfälle. Das folgende Beispiel ist besonders aussagekräftig. Drei Kandidaten A, B, C werden von jedem von 60 Wählern gereiht (Condorcet, 1785, S. lxiii; McLean / Hewitt, 1994, S. 39). Dreizehn Wähler sehen in B den schlechtesten Kandidaten, in C den mittleren und in A den Spitzenkandidaten usw.

Drei Systeme – drei Gewinner (Condorcet, 1785, S. lxiii). Kandidat A gewinnt bei relativer Mehrheitswahl, B beim System Borda / Cusanus und C beim System Condorcet / Llull.
Stimmenzahl 13 10 13 6 18
Spitzenplatz A A B B C
Mittelplatz C B C A B
Niederster Platz B C A C A

Relative Mehrheitswahl: Bei einer relativen Mehrheitswahl gewinnt Kandidat A, denn 13 + 10 = 23 Wähler sehen A an der Spitze, 13 + 6 = 19 sind für B und nur 18 stimmen für C.

System Cusanus / Borda: Bei Cusanus wie auch bei Borda heißt der Sieger B. Denn die Rangsummen, die sich ergeben (a = 1, b = 1), sind 13·1 + 28·2 + 19·3 = 126 für B, 16·1 + 26·2 + 18·3 = 122 für C und 13·1 +   6·2 + 23·3 = 112 für A. Wie erwähnt wird die Rechnung mit der Festsetzung a = 0 bequemer. Hier werden also für einen letzten Platz 0 Punkte angerechnet, für einen vorletzten 1 und einen Platz an der Spitze 2. Dann kommt B auf die Rangsumme 13·0 + 28·1 + 19·2 = 66, wogegen C (62) und A (52) abfallen. Offensichtlich erhält man dieselbe Reihung wie vorher, nur sind alle neuen Rangsummen um 60 Punkte kleiner als die alten.

Bordas Argument, diese Zahlen aus den Ergebnissen paarweiser Vergleiche zu berechnen, funktioniert folgendermaßen. Beim Vergleich zwischen A und B halten 13 + 10 = 23 Wähler A für besser, die anderen 13 + 6 + 18 = 37 Wähler platzieren B höher. So erhält man das Ergebnis 23 : 37 für A : B, 29 : 31 für A : C und 29 : 31 für B : C. Über alle Vergleiche zusammen entfallen auf Kandidaten B im Saldo 37 + 29 = 66 Stimmen, dagegen nur 31 + 31 = 62 auf C und 23 + 29 = 52 auf A.

System Condorcet / Llull: Auch Condorcet konzentriert sich auf paarweise Vergleiche. Jeder Wähler soll seine Meinung kundtun sur toutes les propositions qu'on peut former en comparant ces candidats deux à deux. Dieser Ansatz liegt auch den Llullschen Wahlsystemen zu Grunde (Hägele / Pukelsheim, 2001, S. 23). Condorcet – wie auch Llull – zählt aber nicht die Stimmen aus den paarweisen Vergleichen zusammen, sondern schaut nur auf Sieg oder Niederlage. Im Beispiel gewinnt dann Kandidat C, denn er siegt sowohl gegen A wie auch gegen B mit jeweils 31 : 29 Stimmen. Kandidat C ist das, was die heutige Literatur als den Condorcet-Gewinner bezeichnet: Er übertrumpft jeden Konkurrenten, der gegen ihn ins Feld geführt werden kann.

Condorcet kämpft für diese dritte – seine – Variante. Aber er macht keinen Hehl daraus, dass gravierende Schwierigkeiten denkbar sind, wie an folgendem Beispiel sichtbar wird (Condorcet, 1785, S. lxi; McLean / Hewitt, 1994, S. 41).

Condorcet-Zyklus (Condorcet, 1785, S. lxi). Kein Kandidat ist im paarweisen Vergleich stärker als jeder einzelne der Konkurrenten: A gewinnt gegen B, B gegen C und C gegen A.
Stimmenzahl 23 17 2 10 8
Spitzenplatz A B B C C
Mittelplatz B C A A B
Niederster Platz C A C B A

Im Beispiel siegt A über B mit 33 zu 27 Stimmen, B über C mit 42 zu 18 und C über A mit 35 zu 25. In dieser Situation – wir bezeichnen sie heute als einen "Condorcet-Zyklus" – existiert kein Condorcet-Gewinner. Der Grund ist, dass das von Condorcet (und Llull) angestrebte Aggregationsverfahren Ergebnisse liefern kann, die nicht transitiv sind (Hägele / Pukelsheim, 2001, S. 31): Wenn A besser ist als B und B besser ist als C, dann muss eben nicht notgedrungen folgen, dass A auch besser ist als C.

Die Suche nach einem Ausweg aus diesem Dilemma macht Condorcet zum Gründervater einer mathématique sociale (Granger, 1956; McLean / Hewitt, 1994). Allerdings sind die Ausführungen in seinem Essay (1785) auf den 191 Seiten der Einführung und den 304 Seiten des Haupttextes hinreichend langatmig und so konfus, dass sie seitdem zahllosen Folgearbeiten als Anregung dienten. Es brauchte mehr als zwei Jahrhunderte und die Entwicklung einer gefestigten quantitativen Politikwissenschaft, bis Young (1988) mit minimalen Korrekturen der Wahltheorie Condorcets eine auch mathematisch befriedigende Form geben konnte.

So bleibt zum Schluss zu konstatieren, dass das Thema Wahlsysteme Autoren unterschiedlichster Provenienz gefesselt hat: den Religionsphilosophen Llull ebenso wie den Enzyklopädisten Condorcet, den Kirchenpolitiker Cusanus wie auch den Technokraten Borda. Die Namen, unter denen diese Wahlsysteme firmieren, deuten dieses reiche historische Erbe nur an, ohne der Geschichte wirklich gerecht zu werden. Stigler (1980, S. 147) hat dies treffend formuliert:

Stigler's Law of Eponymy: No scientific discovery is named after its original discoverer.

Dass er dieses Namensgebungsgesetz nach sich selbst benennt, ist Ausdruck der Bescheidenheit des Autors. Denn im Hinblick auf die Aussage des Gesetzes gibt er damit zu erkennen, dass das Gesetz nicht von ihm sein kann. In diesem Sinne lässt auch ein System Borda oder ein System Condorcet immer noch genügend Raum, den Grad der Meriten von Cusanus und Llull angemessen zu würdigen.

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Wolfgang Schreiber: Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag – Kommentar zum Bundeswahlgesetz unter Einbeziehung der Bundeswahlordnung, der Bundeswahlgeräteverordnung und sonstiger wahlrechtlicher Nebenvorschriften. Sechste Auflage. Köln, 1998.
Schreiner (2001) [Zitiert in: 1.1; 4.1]
Klaus Schreiner: «Wahl, Amtsantritt und Amtsenthebung von Bischöfen – Rituelle Handlungsmuster, rechtlich normierte Verfahren, traditionsgestützte Gewohnheiten.» Seiten 73-117 in: Vormoderne politische Verfahren. Barbara Stollberg-Rilinger, Herausgeber. Berlin, 2001.
Schubert (1977) [Zitiert in: 2; 3.3; 3.3]
Ernst Schubert: «Königswahl und Königtum im spätmittelalterlichen Reich.» Zeitschrift für historische Forschung 4 (1977) 257-338.
Seifert (1976) [Zitiert in: 1.1]
Karl-Heinz Seifert: Bundeswahlrecht – Wahlrechtsartikel des Grundgesetzes, Bundeswahlgesetz, Bundeswahlordnung und wahlrechtliche Nebengesetze. Dritte Auflage. München, 1976.
Senger (2002) [Zitiert in: 2; 3.3]
Hans Gerhard Senger: «Allumfassende Eintracht.» Seiten 19-42 in Hans Gerhard Senger: Ludus Sapientiae – Studien zum Werk und zur Wirkungsgeschichte des Nikolaus von Kues. London, 2002.
Sigmund (1995) [Zitiert in: 2; 2.1; 2.2]
Paul Eugene Sigmund: Nicholas of Cusa: The Catholic Concordance. Cambridge UK, 1995.
Sigmund (1998) [Zitiert in: 4]
Paul Eugene Sigmund: «Konsens, Repräsentation und die Herrschaft der Mehrheit bei Marsilius und Cusanus.» Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft 24 (1998) 195-204.
Staveley (1972) [Zitiert in: 4]
Eastland Stuart Staveley: Greek and Roman Voting and Elections. London, 1972.
Stigler (1980) [Zitiert in: 5.2]
Stephen Mack Stigler: «Stigler's law of eponymy.» Seiten 147-157 in: Science and Social Structure: A Festschrift for Robert K. Merton. New York, 1980.
Töpfer (1965) [Zitiert in: 2]
Bernhard Töpfer: «Die Reichsreformvorschläge des Nikolaus von Kues.» Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 13 (1965) 617-637.
Watanabe (1963) [Zitiert in: 2.2; 4.1]
Morimichi Watanabe: The Political Ideas of Nicholas of Cusa – With Special Reference to His De concordantia catholica. Genève, 1963.
Watanabe (1970) [Zitiert in: 2.3]
Morimichi Watanabe: «The Episcopal Election of 1430 in Trier and Nicholas of Cusa.» Church History 39 (1970) 299-316 [Nachdruck Seiten 81-101 in Morimichi Watanabe: Concord and Reform – Nicholas of Cusa and Legal and Political Thought in the Fifteenth Century. Aldershot, 2001].
Watanabe (1991) [Zitiert in: 2]
Morimichi Watanabe: «The origins of modern Cusanus research in Germany and the establishment of the Heidelberg Opera omnia.» Seiten 17-42 in: Nicholas of Cusa in Search of God and Wisdom. Gerald Christianson / Thomas M. Izbicki, Herausgeber. Leiden, 1991.
Watanabe (2002) [Zitiert in: 3.3]
Morimichi Watanabe: «Concord and Discord – Nicholas of Cusa as a legal and political thinker.» Seiten 47-59 in: Nicholas of Cusa – A Medieval Thinker for the Modern Age. Kazuhiko Yamaki, Herausgeber. Richmond, 2002.
Wolf (1987) [Zitiert in: 3.3]
Armin Wolf: «Prinzipien der Thronfolge in Europa um 1400 – Vergleichende Beobachtungen zur Praxis des dynastischen Herrschaftssystems.» Seiten 233-278 in: Das spätmittelalterliche Königtum im europäischen Vergleich. Reinhard Schneider, Herausgeber. Sigmaringen, 1987.
Wolf (1991) [Zitiert in: 2.1.1; 2.3; 3.1; 3.3]
Armin Wolf: «Königskandidatur und Königsverwandtschaft – Hermann von Schwaben als Prüfstein für das Prinzip der freien Wahl.» Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 47 (1991) 45-117.
Wolf (1993) [Zitiert in: 2.1.1]
Armin Wolf: König für einen Tag: Konrad von Teck. Gewählt, ermordet(?) und vergessen. Kirchheim unter Teck, 1993.
Wolf (2000a) [Zitiert in: 2]
Armin Wolf: Die Entstehung des Kurfürstenkollegs 1198-1298 – Zur 700-jährigen Wiederkehr der ersten Vereinigung der sieben Kurfürsten. Idstein, 2000.
Wolf (2000b) [Zitiert in: 2]
Armin Wolf: «Die Kurfürsten des Reiches.» Seiten 87-96 in Band 1: Krönungen. Könige in Aachen – Geschichte und Mythos. Katalog der Ausstellung. Mario Kramp, Herausgeber. Mainz, 2000.
Young (1988) [Zitiert in: 5.2]
Hobart Peyton Young: «Condorcet's theory of voting.» American Political Science Review 82 (1988) 1231-1244.

* Ausarbeitung des Vortrags von F.P. – Für wertvolle Hinweise danken die Autoren Pierre Crépel (Lyon), Ferdinand Dominguez (Freiburg im Breisgau), Harald Drös (Heidelberg), Anke Eisenkopf (Bonn), Hanspeter Heinz (Augsburg), Erich Meuthen (Köln), Armin Wolf (Frankfurt am Main).

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